Unter feindlicher Flagge
Wort ergreifen wollte. »Er hat einen kleinen Gallenstein. Nach einem Tag Ruhe wird Hart wieder auf den Beinen sein. Da Sie neu sind, Mr Hayden, und die Anzeichen noch nicht kennen: Der Kommandant ist meist sehr - gereizt, wenn er spürt, dass sich die Schmerzen eines abgehenden Gallensteins anbahnen. In dieser Zeit ist es ratsam, alles zu unterlassen, was den Zorn des Kommandanten erregen könnte.«
»Ein Rat, den ich auf jeden Fall beherzigen werde.« Hayden nahm eine kleine Änderung in der Bewegung des Schiffes wahr. »Frischt der Wind auf, Mr Barthe, aus Süd-Südwest?«
»Ich bin mir nicht sicher, Sir. Soll ich nachschauen?«
»Sie brauchen Ihre Mahlzeit nicht zu unterbrechen, Mr Barthe«, sagte Landry. »Ich schicke einen Midshipman nach oben, um nach dem Wetter zu sehen.«
»Nicht nötig, Mr Landry.« Hayden erhob sich und war sich nun sicher, dass der Wind auffrischte, aber aus keiner günstigen Richtung kam. »Ich schaue selbst nach.«
Er entschuldigte sich, war froh, der Atmosphäre erzwungener Heiterkeit entrinnen zu können, und verließ die stickige Messe in Richtung Deck. Von Süden her wehte eine Brise vom Kanal den Geruch der See übers Land - ein bitteres Gemisch aus salziger Luft und verrottenden Algen. Erste Gewitterwolken verdunkelten den Horizont, dünne Regenfäden gingen weiter draußen aufs Meer nieder. Vor dem Hintergrund des aufgewühlten Himmels sausten die glitzernden Flügel der Seemöwen, von schmalen Lichtstreifen erfasst, wie Sensen durch die Regenfront - als wäre sie schwarzes Korn.
Augenblicke später kam der Master an Deck. »Ausgerechnet jetzt, da sich die Gezeiten gegen uns gewendet haben.«
»Ja, das Wetterglas fällt, und die Luft hat sich merklich abgekühlt.«
Dichte graue Wolken zogen langsam über den Sund, als der Masttopp zu schwanken begann.
»Ich denke, da zieht ein Sturm auf, Mr Barthe.« Hayden blickte hinaus aufs Meer. »Werden die Matrosen segeln, Mr Barthe, oder werden sie eine Petition vorbringen, die an den Hafenadmiral weitergeleitet werden soll?«
Barthe schlug mit der flachen Hand auf die Reling - einmal, noch zweimal. »Ich weiß es nicht, Mr Hayden.«
»Nun, es bleibt uns keine andere Wahl, als es herauszufinden.« Hayden zögerte nur einen Moment. »Rufen Sie die Matrosen, um mehr Taue zu fieren. Ich fürchte, dass dies ein ziemlich unbequemer Ankerplatz werden wird, aber da die Gezeiten noch eine Weile ungünstig für uns sind, müssen wir wohl oder übel hier bleiben und das Wetter so nehmen, wie es kommt. Sobald die Strömung stimmt, rufen wir alle Mann an Deck, um den Anker zu lichten und den Sund zu verlassen. Dann werden wir ja erfahren, was die Mannschaft vorhat, nehme ich an.« Hayden ließ den Blick über den Sund schweifen. »Ein Dutzend anderer Schiffe macht es uns gleich. Es dürfte für uns von Vorteil sein, wenn wir vor ihnen segeln und die Landspitze bei Einbruch der Dunkelheit luvwärts umschiffen.«
»Und wenn die Besatzung nicht segeln will, Mr Hayden?«, fragte Barthe leise.
Auf diese Frage gab es viele mögliche Antworten, daher beschränkte sich Hayden auf die praktischste. »Dann werden wir einen anderen Ankerplatz benötigen. Bereiten Sie den kleinen Buganker vor, Mr Barthe. Ich weiß nicht, ob wir in der Lage sein werden, ihn hochzuziehen, wenn die See rauer wird. Aber wir sind vielleicht gezwungen, es zu versuchen.«
»Aye, Mr Hayden.«
Landry erschien an Deck. »Kapitän Hart wünscht, dass wir die Anker lichten und Segel setzen, Mr Hayden. Er möchte, dass wir den Plymouth Sund verlassen haben, ehe der Sturm losbricht.« Im schwindenden Licht sah der kleine Leutnant grau im Gesicht aus.
»Aber noch haben wir eine starke Flut gegen uns, Mr Landry.«
»Ich wies den Kommandanten auf die Gezeiten hin, Mr Hayden. Er betonte, darauf keine Rücksicht zu nehmen.«
»Das kann ich mir denken«, murmelte Barthe.
Hayden machte einen langen Atemzug. »Die Spaken des Gangspills vertäuen, Mr Barthe«, ordnete er an.
Der Master beugte sich über die Reling, um die Strömungsgeschwindigkeit abzuschätzen. »Bei diesem Wind und der starken Flut können wir von Glück reden, wenn wir uns halten, Mr Hayden.«
»Sie protestieren bei dem falschen Mann, fürchte ich. Sind alle Stoßmatten angebracht?«
»Ja, Sir.« Barthe warf ihm einen Blick zu, und aus seiner ganzen Haltung sprach plötzlich Vorsicht. Mit eingezogenen Schultern stand er da, sein für gewöhnlich rötliches Gesicht wirkte blässlich.
»Dann bereiten Sie alles
Weitere Kostenlose Bücher