Unter feindlicher Flagge
vermutlich nicht viel bringen«, meinte Hayden.
Griffiths fluchte leise vor sich hin.
Hayden rief nach Perse, trug ihm auf, vor der Tür zur Messe Wache zu halten und sofort Bescheid zu geben, wenn irgendjemand in Hörweite käme. Daraufhin öffnete der Arzt die Türen zu sämtlichen Kabinen in der Offiziersmesse, doch es war niemand sonst da.
Griffiths nahm einen Schluck Wein, atmete mehrmals tief durch und hatte sich bald wieder beruhigt. »Verzeihen Sie mir meinen Wutausbruch«, sagte er. »Dieses verfluchte Schiff mit seinen Leuten ...«, aber er brach ab. Dann wandte er sich Hayden zu. »Ich - ich habe vergessen, worüber wir eben sprachen ...«
Hayden nahm Platz und beugte sich weit über den Tisch. »Sie fragten mich, ob ich zwei französische Fregatten verfolgt hätte, und meine Antwort darauf lautete, dass es sich nicht um Fregatten handelte.«
»Ja, natürlich.« Jetzt beugte sich auch der Arzt wieder über den Tisch und schien einen Moment nachzudenken, ehe er sagte: »Lassen Sie mich eins klar ansprechen, Leutnant. Kapitän Hart ist oft nicht recht auf der Höhe, wenn er in See sticht. Vielleicht liegt es daran, dass er Bedenken hat oder den Anforderungen des Kommandos nicht ganz gewachsen ist. Nach und nach bessert sich sein Zustand dann. Ich schätze, in drei oder vier Tagen geht es ihm gesundheitlich besser. Und von da an werden ihm seine Migräne und andere Unpässlichkeiten nicht mehr so häufig zusetzen. Als Kommandant dieses Schiffes ist er jederzeit gefordert, die entscheidenden Befehle zu geben, um das Schiff und die Besatzung zu retten. Daher versuche ich immer, Kapitän Hart die geringste Dosis seiner Medikamente zu verabreichen, damit die Arzneien nicht sein Urteilsvermögen beeinträchtigen. Es kann jedoch vorkommen, dass er stärkere Medikamente benötigt, wenn seine Leiden ihm zu stark zusetzen. Dann kann er womöglich für mehrere Stunden nicht seinem Kommando nachkommen. Ich möchte Sie da nur vorwarnen, denn es könnte sein, dass Sie in dieser Zeit das Kommando übernehmen und alle Entscheidungen zum Wohle des Schiffes und der Mannschaft werden treffen müssen. Und zu diesen Entscheidungen wird auch die Frage gehören, ob feindliche Schiffe angegriffen werden oder nicht. Können Sie mir folgen, Mr Hayden?«
Hayden hielt sich einen Augenblick lang mit seiner Antwort zurück. »Wenn Sie sich wirklich absolut sicher sind, Doktor Griffiths, dass eine entsprechende Dosis für die Gesundheit des Kommandanten unerlässlich ist, dann werde ich bereit sein, meine Pflicht zu tun, um die Befehle der Admiralität nach bestem Wissen und Gewissen auszuführen.«
Der Doktor nickte. »Dann haben wir eine Vereinbarung getroffen?«
»Ich denke, ja. Und ich danke Ihnen, Doktor, dass Sie mich auf diese Möglichkeit hingewiesen haben.«
»Ich hielt es für meine Pflicht«, sagte Griffiths, lehnte sich wieder zurück und nahm sein Weinglas. »Trinken wir auf die Gesundheit des Kommandanten.«
Hayden erhob sein Glas. »Auf Kapitän Hart«, sagte er, und beide tranken.
Hayden schloss einen Moment lang die Augen. Eine Verschwörung, um das Kommando über das Schiff zu bekommen - und sei es auch nur vorübergehend -, bedeutete für die Verschwörer eine Strafe, die so schrecklich ausfallen würde, dass man besser nicht darüber nachdachte. Hayden machte sich zudem bewusst, dass er einem Mann vertraute, den er noch nicht gut genug kannte. Aber an Bord des Schiffes Seiner Majestät Themis lag Rebellion in der Luft. Die Matrosen flüsterten es sich schon zu, und die Offiziere standen kurz vor der offenen Rebellion. Aber Hayden glaubte nicht, dass Philip Stephens einen solchen Schritt im Sinn gehabt hatte, als er Hayden die Stellung an Bord der Themis anbot: Sein Agent konspirierte mit anderen an Bord, um Kapitän Hart zu ersetzen - und wenn auch nur für ein paar Stunden? Doch was sollte er sonst tun? Sollten sie jedes Mal vor dem Feind Reißaus nehmen? Hayden würde sich diese Feigheit nie verzeihen.
Albtraumartige Bilder suchten den Leutnant heim: Er sah den armen Penrith, der ermordet worden war. Der Matrose hing an einer der Rahen in der Dunkelheit und hielt sich mit letzter Kraft mit einer Hand fest - ehe das Messer zuschlug. Dieses Bild hatte Hayden vor Augen, doch nun war er es, der oben an der Rah hing. Er sah die Klinge, die auf seine Finger zielte.
K APITEL DREIZEHN
Die Steilklippen der Bretagne, zerklüftet und schartig, leuchteten im letzten Licht des Tages. Bei diesem Anblick stiegen
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