Unter feindlicher Flagge
der Steuerbordseite hinunter und wich den an Deck drängenden Männern aus. Hammerschläge hallten hohl unter Deck durchs Schiff, als die Schotten entfernt wurden. Hayden schaute kurz nach achtern, rechnete er doch halb damit, dass Kapitän Hart aus seiner Kajüte kam und dem Unterfangen ein jähes Ende bereitete. Mit einem Blick nach oben vergewisserte er sich, wo Landry steckte, der von dort den Hafen beobachten konnte.
Barthe kam wieder aufs Quarterdeck. »Gleich sind Bramsegel und Leesegel klar, Mr Hayden.«
»Danke, Mr Barthe.« Hayden erfreute sich bester Stimmung, da ihm der zaghafte Hart nicht in die Quere kommen konnte. Jetzt hatte er Gelegenheit, ein feindliches Schiff aufzubringen, und wenn es nur ein Frachtsegler war. Zwar kannte er Hart erst seit knapp zwei Wochen, hegte aber jetzt schon eine große Abneigung gegenüber dem Mann. Tyrannische Kommandanten waren in der britischen Navy nicht unbekannt, aber die wenigen, die Hayden kennengelernt hatte, waren zumindest ausgezeichnete Seeleute gewesen, die vor keinem Gefecht zurückschreckten - dadurch verschafften sie sich Respekt. Selbst die Mannschaften, die unter diesen Tyrannen gelitten hatten, bewunderten ihre Kommandanten für diesen Wagemut. Harts Verhalten hingegen gab keinen Anlass für Bewunderung.
Der Master schaute den langsam fliehenden Schiffen hinterher und versuchte, die Geschwindigkeit abzuschätzen. »Glauben Sie, wir haben eine Chance, sie einzuholen?«
»Das liegt in Neptuns Hand, Mr Barthe. Im Augenblick liegen sie in einer Flaute, während wir den Wind haben, dann wendet sich das Blatt wieder. Sie werden vermutlich versuchen, auf Camaret-sur-Mer zuzuhalten, um Schutz in der Festung zu finden, aber dafür fehlt ihnen der Wind in der Bucht. Wir könnten sie überholen, und zwar außerhalb der Reichweite der großen Geschütze.«
Ein Schwarm schreiender Möwen flog hinter einem kleinen Fischerboot her, das auf die Hafeneinfahrt zusteuerte. Die Fischer beäugten die britische Fregatte, die plötzlich hinter der Landzunge aufgetaucht war. Doch Hayden achtete nicht weiter auf diese Fischer. Mit den Gedanken war er längst bei der größeren Beute und warf hin und wieder einen kritischen Blick zur Hafeneinfahrt von Brest. Denn der Admiral dort würde gewiss Kanonenboote entsenden, sobald er von der englischen Fregatte informiert würde. Diese kleinen Boote mit ihren schweren Geschützen stellten eine größere Bedrohung dar, als Hayden zuletzt in Landrys Gegenwart zugegeben hatte.
»Sind da nicht auch Geschütze an der nördlichen Küste?«, fragte Barthe und suchte das Ufer mit dem Fernglas ab.
»Weiter im Innern der Meerenge, dem Goulet, wie die Franzosen sagen. Aber so weit wagen wir uns nicht heran.«
Eine Rauchsäule stieg auf einem der Schiffe auf, gefolgt von dem donnernden Widerhall einer Kanone, der sich an der Steilküste brach.
»Mr Hayden!«, rief Landry von oben. »Sie feuern auf uns, Sir!«
»Sie wollen bloß den Hafenkommandanten auf sich aufmerksam machen, Mr Landry!«, rief Hayden zurück. »Keine Sorge.«
Einige Matrosen unterdrückten ein Lachen, denn es war offensichtlich, dass die Kanone ohne Kugel in Richtung Hafen abgefeuert worden war. Die Männer, die zuvor so mürrisch und zerstritten gewesen waren, machten sich nunmehr schnell und behände an die Arbeit und waren voller Vorfreude. Ein Gefecht war genau die Abwechslung, die sie brauchten.
Hayden schaute nach Westen. Die Sonne war nun beinahe ganz untergegangen, und die Dämmerung breitete sich aus und entstieg wie düsterer Nebel den lichtlosen Tiefen der See. Skeptisch schaute er wieder in Richtung der Handelsschiffe. Ihre Segel bewegten sich nur träge, als die Brise nachließ. Die Segel der Themis hingegen füllten sich mit einem dumpfen Laut. Nur noch leicht und ohne erkennbares Muster wurde die Wasseroberfläche gekräuselt.
»Wissen Sie«, sagte der Master, »ich denke, wir werden schneller sein als die Franzosen, wenn der Wind günstig steht. Diese Frachtschiffe haben ziemlich schlechte Kiele.«
»Danken wir Gott für unser Kupfer, Mr Barthe«, sagte Hayden, denn die Kiele der Royal Navy waren von einer dünnen Kupferschicht überzogen, damit das Holz vor Würmern geschützt war und während der langen Zeit im Wasser nicht verfaulte. »Wer ist unser bester Steuermann?«
»Dryden, Sir. Er steht gerade am Steuerrad.«
»Wir werden jedes Lüftchen ausnutzen müssen, wenn wir diese Frachtschiffe noch einholen wollen. Die Segeltrimmer sollen sich
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