Unter feindlicher Flagge
Aber er würde nicht einmal den Versuch unternehmen, Taten zu vollbringen, die ihm den Ruf eines tapferen Seehelden einbringen würden.«
»Haben Sie uns nicht immer gelehrt: ›Suchen Sie nicht nach Lob, sondern verdienen Sie es sich‹?«
Ein Lächeln erschien auf Bournes Gesicht. »Ja, in der Tat, und Sie haben meine Worte beherzigt, wie ich sehe.«
Hayden lachte. »Der arme Hart. Schon sein Name gibt Anlass zu Späßen, wenn man weiß, dass er nicht Hart der Beherzte ist.«
»Charles, was ich damit sagen möchte, ist, dass Sie sich vor diesem Mann in Acht nehmen müssen. Er wird versuchen, Ihnen zu schaden, wo er nur kann - zumindest wird er Ihren Ruf ruinieren.«
»Ich habe keinen Ruf zu verlieren. Ich hatte Glück, eine Stellung wie diese zu bekommen.«
»Offensichtlich haben Sie einen Ruf. Philip Stephens hat Sie nicht ausgesucht, weil Sie ein Stümper sind. Er hat Sie genommen, da er wusste, zu was Sie fähig sind, aber eben über keine einflussreichen Familienbeziehungen verfügen.«
»Letzteres ist leider nur zu wahr.«
Bourne erhob sich und blickte seinen ehemaligen Leutnant besorgt an. »Als Freund ist es meine Pflicht, Sie zu warnen, Charles. Wenn Hart Ihren Willen nicht brechen kann, und ich glaube nicht, dass er dazu in der Lage ist, dann wird er zumindest versuchen, Ihr Leben zu ruinieren. Unterschätzen Sie ihn nicht. Leute seines Schlages haben eine große Begabung, was Rachsucht betrifft. Eine sehr große Begabung.«
K APITEL FÜNFZEHN
Bei nur mäßigem Wind aus Südwest war das französische Handelsschiff bald ein kleiner Punkt am Horizont. Außer Reichweite französischer Kaperschiffe, so hoffte Hayden jedenfalls. Denn in dem kleinen, versteckten Hafen von Conquet lauerten viele Kaperfahrer. Hart hatte seinen offiziellen Bericht des Enterkommandos mitgeschickt, genau wie Kapitän Bourne. Ein Brief an Haydens besonderen Freund Thomas Banks befand sich ebenfalls in der für England bestimmten Heimatpost. Darin beschrieb der Leutnant die Ereignisse aus seiner Sicht.
Bei den ersten Briefen an den Ersten Sekretär hatte sich Hayden noch für einen Verräter gehalten, da ihm die Loyalität zum Kommandanten in Fleisch und Blut übergegangen war. Doch seitdem er Zeuge von Harts Pflichtvernachlässigungen geworden war, ganz zu schweigen von der Art und Weise, wie Hart mit seinem Ersten Leutnant und dem Rest der Mannschaft verfuhr, fühlte sich Hayden eher wie ein Verschwörer als ein gemeiner Informant. Dieser Mann weckte in niemandem den Wunsch nach Loyalität - abgesehen vielleicht von Landry.
Hayden wusste nicht, was Philip Stephens mit den Briefen tun würde, aber wenn die geheimen Berichte in irgendeiner Weise dazu beitrugen, dass Hart innerhalb der Admiralität diskreditiert wurde, machte sich Hayden keine Gedanken über die Spitzelarbeit. Dennoch beunruhigte ihn die Vorstellung, dass seine Briefe nicht geheim bleiben könnten. Informanten wurden in der Navy verachtet. Wenn Stephens nun nicht besonders geschickt vorging, um Hart zu diskreditieren, und obendrein seine Informationsquelle preisgab, dann stand Hayden noch eine schwere Zeit der Ächtung bevor. In diesem Fall wäre es unmöglich, weiterhin in der Navy zu bleiben. Vielleicht bliebe ihm sogar nichts anderes übrig, als das Land zu verlassen. Die Vorstellung, von den anderen Offizieren mit Verachtung gestraft zu werden, machte ihm wirklich Sorgen, besonders spät in der Nacht. Aber er hatte sich bei Stephens auf einen Teufelspakt eingelassen und konnte jetzt nur hoffen, dass seine Berichte nicht ans Tageslicht kamen.
Ungeachtet dieser Dinge fragte sich Hayden, was Hart wohl über den Vorfall geschrieben haben mochte. Über das, was Kapitän Bourne den Kommissaren der Lords mitgeteilt hatte, brauchte Hayden nicht zu spekulieren. Denn heimlich hatte sein alter Vorgesetzter ihm eine Kopie seines Schreibens zugespielt, während Hayden noch an Bord des Frachtschiffs war. Es war ein absolut fairer Bericht. Bourne griff nicht auf Informationen aus Gesprächen mit Hayden zurück, sondern beschränkte sich auf die Dinge, die er von seiner Position auf See aus gesehen hatte. Dennoch stellte der Bericht Hayden als Helden dar, und obwohl Hart für seinen Wagemut gelobt wurde, so weit in den Goulet zu segeln, betonte Bourne, dass der Erste Leutnant Charles Hayden den Hafen und die Gewässer sehr genau kannte. Daraus sollten die Kommissare der Lords ihre eigenen Schlüsse ziehen. Taktvoll wurde übergangen, dass Hart den Booten den Befehl
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