Unter feindlicher Flagge
zuzustimmen. Gewiss war ihm der Zweite Leutnant mit dem neugeborenen Kind vollkommen egal. »Wer stellt dann die Besatzung der Prise?«
»Wenn Sie einverstanden sind«, bot Bourne an, »werde ich Männer von meinem Schiff zur Verfügung stellen. Kommt Ihnen das entgegen?«
»Mir mangelt es an Leuten ...«, sann Hart halblaut nach, nickte dann aber widerstrebend.
Bourne klopfte Hayden auf die Schulter. »Dann werden Sie und Mr Hayden hier ja weiterhin den ahnungslosen Franzosen zusetzen. Warten Sie, bis ich den Lords der Admiralität erzählt habe, dass Sie so tief in den Goulet segelten, dass ich schon dachte, Sie würden mit den Klüverbäumen der dort ankernden Schiffe zusammenstoßen. Ein Stück weiter und die Geschützbatterie hätte Sie aufs Korn genommen. Da brauchte man schon Nerven!«
Hart nickte dankend und erhob sich. »Ich denke, ein jeder von uns sollte dann wieder seinen Pflichten nachkommen.«
Hayden folgte Hart und Bourne wieder an Deck.
»Wenn Sie Leutnant Hayden kurz entbehren könnten«, sagte Bourne zu Hart, als sie die Reling erreichten. »Dort drüben sind noch etliche seiner ehemaligen Schiffsgenossen, die ihn gern noch einmal sehen möchten.«
»Mr Hayden hat Pflichten an Bord der Themis«, kam es kurz angebunden von Hart.
Doch das Lächeln auf Bournes Gesicht schwand nicht. »Recht so«, sprach er. Bourne verabschiedete sich, bedankte sich noch einmal und stieg dann behände das Fallreep hinunter ins Beiboot.
Sobald Bourne außer Hörweite war, wandte sich Hart seinem Ersten Leutnant zu, sah ihm aber nicht in die Augen. »Wie es scheint, Mr Hayden, haben Sie einen Strafaufschub«, sagte er leise. »Dank Ihres Freundes Bourne. Ich hoffe, Sie werden sich von nun an bemühen, zukünftig meine Anerkennung zu verdienen.«
»Ich habe nie etwas anderes getan, Sir«, erwiderte Hayden.
Bei diesen Worten zog Hart eine Braue hoch. »Begeben Sie sich hinüber auf die Prise und erstellen Sie eine komplette Bestandsliste des Schiffes. Ich möchte nicht, dass wir in irgendeiner Weise betrogen werden, wenn wir beim Prisengericht erscheinen.«
Hayden straffte die Schultern. »Sir, Kapitän Bourne ist ein Mann von untadeliger Ehre.«
Hart fixierte ihn mit einem düsteren Blick, und Hayden tippte an seinen Hut.
»Ein Boot ausschwingen, Mr Archer!«, rief der Leutnant.
Hayden suchte sich rasch ein paar Leute zusammen, die sowohl rechnen als auch schreiben konnten, und fuhr mit ihnen hinüber zur Prise.
Da nur Hayden fließend Französisch sprach, ging er die Papiere in der Kapitänskajüte durch und suchte nach Listen und Verzeichnissen, die Aufschluss über die Ladung gaben. Der Kapitän, der La Fontaine hieß, hatte Wert auf Ordnung gelegt, sodass Hayden schnell fand, wonach er suchte. In einer Schublade entdeckte er einen angefangenen Brief vom Vortag.
Darin stand:
Meine liebe Marie,
ich schreibe in großer Eile, denn obwohl wir in den Goulet fahren, der in die Rade de Brest mündet, ist immer noch eine englische Fregatte hinter uns, und der Wind lässt nicht zu, dass uns andere Schiffe zu Hilfe kommen. Wir werden uns ergeben, wenn es sein muss, aber kämpfen, wenn es uns möglich ist. Ich weiß nicht, was uns die kommenden Stunden bringen werden. Mein Schicksal ist in Gottes Hand, und wenn ich Ihm gegenüberstehe, werde ich nichts in diesem Leben bereuen, außer die verlorenen Tage, die ich mit dir zu verbringen gehofft hatte.
Nach kurzem Suchen fand Hayden eine Schachtel mit privater Korrespondenz. Der Leutnant legte den unvollendeten Brief zu den anderen, suchte noch ein paar persönliche Habseligkeiten zusammen und nahm alles mit an Deck.
»Was haben wir denn da, Mr Hayden?«, fragte Franks mit einem Lächeln, das die gelblichen Zähne entblößte. »Einen kleinen Schatz?«
»Die persönlichen Dinge des Kapitäns. Ich werde sie seiner Witwe zukommen lassen.«
Das Lächeln stahl sich aus dem Gesicht des Bootsmanns. »Das ist sehr nett von Ihnen.«
Ein Boot von der Tenacious kam längsseits, und kurz darauf erschien Kapitän Bourne mit seinem Zweiten Leutnant an Bord.
Hayden gab dem Zweiten die relevanten Papiere und ließ ihm dann Zeit, das Schiff zu inspizieren. Kein Offizier würde das Kommando über ein Schiff übernehmen, ohne es zuvor auf Seetauglichkeit überprüft zu haben. Wie Hayden es erwartet hatte, erwies sich der Zweite Leutnant als gründlich und freundlich.
»Das war ja ein recht angenehmes Essen«, sagte Bourne, als sie allein waren. Dann nahm er Hayden
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