Unter feindlicher Flagge
Französisch, Sir«, merkte Hayden an.
Hart funkelte ihn böse über den Rand der Brille an. »An Bord der Prise wurde etwas französisches Geld gefunden, das ich mir eigens für ein solches Unterfangen aufgehoben habe.« Er öffnete eine kleine Schatulle, holte ein paar französische Münzen heraus und schob sie Hayden zu. »Morgen in aller Frühe, eine Stunde nach Mitternacht.«
»Ich verstehe, Sir.«
»Das wäre dann alles.«
Hayden suchte unverzüglich Hawthorne auf und übte für den Rest des Nachmittags mit dem Leutnant der Seesoldaten ein paar französische Wörter und Phrasen. Mit etwas Glück würden sie an Land niemandem begegnen, aber wenn sie Pech hatten, wäre es besser und glaubwürdiger, wenn Hawthorne nicht den Stummen spielte, auch wenn Hayden natürlich das Sprechen übernehmen würde. Schließlich schärfte er Hawthorne ein, sich einen französischen Namen einzuprägen, und erzählte ihm noch auf die Schnelle etwas über die Eigenarten des Feindes. Hawthorne konnte sich nicht alles auf einmal merken, aber Hayden war einigermaßen zuversichtlich, dass das gemurmelte »Bonjour« des Leutnants der Seesoldaten nicht groß auffallen würde.
Nachdem Hayden Hawthorne über Stunden mit Französisch traktiert hatte, gönnte er ihm und sich eine Pause und goss seinem armen Schüler ein Glas Wein ein.
»Sagen Sie«, meinte Hayden und reichte dem Leutnant das Glas, »was wurde nun eigentlich aus der kleinen Meuterei hier an Bord?«
Hawthorne schloss die Augen und massierte sich die Schläfen, als habe er Kopfschmerzen von dem forcierten Sprachunterricht. Dann griff er in seine Jacke, die er über die Stuhllehne gehängt hatte, und holte ein gefaltetes Stück Papier hervor. »Das wollte ich Ihnen noch geben.«
Hayden faltete das Blatt auseinander und sah zwei Spalten mit Namen. »Und was bedeutet das, Mr Hawthorne?«, fragte er und schaute auf.
»Ich hatte den Eindruck, dass sich die Männer an den Geschützen in zwei Lager geteilt hatten. Nein, das stimmt nicht ganz. Die meisten Männer kümmerte es nicht, was geschah, aber diese beiden Fraktionen gerieten in Streit. Warum, weiß ich auch nicht. Es war fast dunkel, und die ganze Angelegenheit traf mich unvorbereitet, wie ich leider zugeben muss. Daher war meine Beobachtungsgabe ein wenig eingeschränkt. Aber wie dem auch sei, ich denke, diese Liste müsste ungefähr stimmen.«
Hayden ging noch einmal die aufgelisteten Namen durch.
»Aber waren diese Leute denn nun aufrührerisch? Oder handelte es sich nur um zwei Lager, die nichts füreinander übrig haben? Ich habe schon Mannschaften erlebt, wo die eine Gruppe die andere an Bord mehr hasste als die Franzosen.«
»Ich weiß es nicht genau, Mr Hayden. Die Männer waren irgendwie zerstritten. Ich bin davon überzeugt: Wenn Sie nicht so rasch meine Seesoldaten alarmiert hätten, wäre es zu Blutvergießen gekommen. Und das vor einem Gefecht!«
»Und gehört haben Sie auch nichts? Rief niemand im Zorn etwas, das auf den Grund des Streits hätte schließen lassen?«
»Oh, die Männer beschimpften sich nicht zu knapp und verwünschten sich gegenseitig, aber das waren die gängigen Flüche, die man überall hört, wenn Matrosen aneinandergeraten.«
»Und heute Morgen ließ Hart einige von ihnen auspeitschen?«
»Ja, allerdings pickte er sich die Männer eher wahllos heraus, nachdem er mit mir, einigen Midshipmen und dem Waffenmeister gesprochen hatte. Wenn es die Rädelsführer erwischt hat, dann nur durch Zufall.«
Hayden lehnte sich zurück, fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und sah den Leutnant der Seesoldaten wieder an. »Sie sagen, die Mehrzahl der Männer war nicht beteiligt. Das ist doch zumindest ein gutes Zeichen.«
Hawthorne knirschte mit den Zähnen. »Ja, das sagte ich, und es stimmt auch mehr oder weniger, aber ich hatte den Eindruck, dass die Männer, die nur zusahen, in Wirklichkeit die Sache abwägten. Ich kann das auch nicht richtig erklären. Aber sie wirkten wie Männer bei einem Hahnenkampf, die noch überlegen, auf wen sie ihr Geld setzen sollen.«
»Ich hatte das gleiche Gefühl in Plymouth, als es ganz danach aussah, dass sich die Matrosen weigern würden, in See zu stechen. Einige warteten bloß ab, wie sich die Ereignisse entwickeln würden.« Hayden nahm einen Schluck Wein. »Die Männer begreifen nicht, welches Risiko sie eingehen, Hawthorne. ›Aufrührerische Zusammenrottung‹, ›Vertuschung aufrührerischer Absichten‹, ja sogar ›aufrührerische
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