Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Briefe sind nicht Vitalis Art.«
»Bitte, Nick. Sie brauchen Personenschutz, bis sich das ganze Theater um Vitali etwas gelegt hat.«
»Ich will nicht von irgendwelchen Leuten bis aufs Klo verfolgt werden«, wehrte Nick ab. »Es wird schon nichts passieren.«
»Ich fände es trotzdem besser, wenn Sie wenigstens für Ihre Frau ...«
»Mary muss davon nichts erfahren«, erwiderte Nick, »es würde sie nur unnötig aufregen. Sie fährt ohnehin in ein paar Tagen mit Christopher und seiner Verlobten zu ihrer Schwester nach Montauk, um die Hochzeit vorzubereiten. Und danach ist der ganze Spuk hoffentlich vorbei.«
Nick lächelte Frank beruhigend an.
»Ihre Nerven sind überreizt, Frank. Sie haben in den letzten Wochen zu wenig Schlaf bekommen. Warum nehmen Sie sich nicht einmal das Wochenende frei?«
»Weil ich mir Sorgen um Sie mache«, antwortete Frank. »Versprechen Sie mir wenigstens, dass Sie nicht mehr mit der UBahn alleine durch die Stadt fahren?«
»Wenn Sie mir dafür keine Leibwächter auf den Hals hetzen.« Nick grinste, aber Frank gab sich noch nicht geschlagen.
»Wie ist dieser Brief auf Ihren Schreibtisch gelangt? Das macht mir Kopfzerbrechen.«
»Ich möchte von diesem albernen Brief nichts mehr hören«, Nick schüttelte den Kopf. »Jede Putzfrau kann ihn hingelegt haben!«
»Ihr Wort in Gottes Ohr, Chef«, Frank seufzte und verzog das Gesicht.
***
Raymond Howard war mit den letzten Änderungen für die große Parade zum Unabhängigkeitstag beschäftigt. Er saß in seinem Büro mit zwei Telefonhörern am Ohr und versuchte, abwechselnd den am Rande eines Nervenzusammenbruchs stehenden Leiter der Parade und den vor Zorn kochenden Vorsitzenden des Veteranenverbands zu besänftigen, als er Frank im Türrahmen stehen sah. Mit einem genervten Gesichtsausdruck gab er seinem Kollegen ein Zeichen zu warten und beendete dann beide Gespräche.
»Himmelherrgott, diese Idioten«, fluchte er, »dieses Kompetenzgerangel jedes Jahr ist ja nicht mehr zu ertragen.«
Das eine Telefon klingelte, aber er beachtete es nicht.
»Gut, dass du da bist«, sagte er zu Frank. »Du kannst mir mal helfen, die Sitzordnung auf der Ehrentribüne festzulegen. Die Tochter von Mr President kommt nun doch mit, und dazu noch eine kleine Freundin.«
Da bemerkte er Franks sorgenvollen Gesichtsausdruck.
»Was ist los mit dir? Gibt’s irgendwelche Probleme?«
»Ich weiß nicht.« Frank nahm den zerknitterten Zettel aus seiner Jackentasche und reichte ihn Howard. »Was hältst du davon?«
Howard ergriff das Blatt und überflog die Zeile mit hochgezogenen Augenbrauen. Das zweite Telefon begann auch zu klingeln.
»Hm«, er blickte auf, »klingt ziemlich entschlossen. Was sagt Nick dazu?«
»Er nimmt es nicht ernst«, sagte Frank niedergeschlagen, »wie immer.«
»Und du?«
»Ich habe so ein komisches Gefühl. Ich habe in den letzten Jahren schon einige Drohbriefe gesehen, die er bekommen hat, aber nie stand so deutlich drin, dass man ihn umbringen will.«
Howard zuckte die Schultern.
»Wenigstens hat er mir versprochen, dass er in nächster Zeit nicht mehr mit der U-Bahn durch die Stadt fährt.« Frank faltete das Blatt und steckte es ein. »Lhota soll für sein Geld mal etwas tun.«
»Na, das scheint mir doch eine gute Idee zu sein«, Raymond Howard nickte und legte seine Hand auf den Telefonhörer, »es wird schon nichts dahinter stecken.«
»Hoffentlich hast du Recht«, Frank brachte ein gezwungenes Lächeln zustande, dann ging er wieder hinaus und fragte sich, ob er der Einzige war, der diesen Brief für bedrohlich genug hielt, um ihn ernst zu nehmen.
***
Als Alex aus der Dusche stieg, hörte sie das Telefon klingeln. Wie immer hatte sie den Anrufbeantworter eingeschaltet, abersie lauschte, wessen Stimme nach dem Piepsen ertönte. Sie hatte sich nicht mehr bei Sergio gemeldet und war froh, dass er bisher auch nicht angerufen hatte, um sie nach ihrer Antwort zu fragen.
»Alex!« Es war Mark und er klang ungewöhnlich aufgeregt. »Wenn Sie da sind, gehen Sie doch bitte dran! Es ist dringend!«
Alex wickelte sich eilig das Handtuch um den Körper und griff nach dem Hörer.
»Hey, Mark. Was gibt es denn so Wichtiges?«
»Können wir uns heute Abend noch sehen?«, fragte Mark. »Wir haben eine Möglichkeit gefunden, wie man …«
»Moment!«, unterbrach Alex ihren Mitarbeiter. Sie hatte noch immer die Befürchtung, dass Sergio ihr Telefon abhören ließ.
»Ich rufe Sie sofort auf dem Handy zurück«, sagte sie rasch
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