Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
und legte auf. Mit einem Blick auf die Uhr tippte sie die Nummer ihres Mitarbeiters in ihr Handy und ging hinaus auf die Terrasse. Heute Abend war sie in Gracie Mansion eingeladen. Wie Kostidis es ihr versprochen hatte, hatte sie eine schriftliche Einladung erhalten, und nach einigem Überlegen und Madeleines Drängen hatte sie zugesagt.
»Was gibt es?«, fragte sie, als Mark sich meldete.
»Vielleicht sollten wir das besser nicht am Telefon besprechen«, Mark sprach hastig. »Können Sie heute Abend mit nach Boston fliegen?«
»Nein, ich bin heute Abend beim Bürgermeister eingeladen«, erwiderte Alex. »Jetzt erzählen Sie schon, Mark. Was ist los?«
»Oliver meint, dass es so gut wie ausgeschlossen ist, auf legalem Wege an die Registrierung einer Offshore-Gesellschaft zu kommen«, sagte Mark, »aber gestern kam ihm eine Idee. Aus unserer gemeinsamen Studienzeit kennen wir jemanden, der am MIT in Boston arbeitet. Der Mann ist ein echter Computerfreak.«
»Langsam«, Alex schüttelte verwirrt den Kopf, »was hat dieser Mann mit Offshore-Gesellschaften zu tun?«
»Nichts. Aber er ist ein Profi-Hacker. Er arbeitet am MIT als Programmierer und prüft Software auf ihre Sicherheit. Oliver hat mit ihm telefoniert und mit ihm über das Problem gesprochen, natürlich ohne Namen zu nennen. Unser Freund verstehtetwas davon, in Rechner einzudringen«, Mark senkte seine
Stimme zu einem aufgeregten Flüstern.
Alex begriff allmählich.
»Das hört sich ziemlich verboten an.«
»Es ist auch verboten, mit Insiderinformationen zu handeln.«
Alex überlegte einen Moment. Das konnte vielleicht wirklich funktionieren! Und wenn nicht, dann hatten sie es wenigstens probiert.
»Wir könnten morgen früh nach Boston fliegen«, drängte Mark. Alex spürte, wie ihr Herz aufgeregt klopfte. Sie musste wissen, wer hinter diesen dubiosen Geschäften steckte, doch auf der anderen Seite hatte sie Angst vor dem, was sie vielleicht erfahren konnte. Aber schließlich war ihre Neugier stärker als alle Befürchtungen.
»Buchen Sie die Frühmaschine nach Boston«, sagte sie nach kurzem Zögern, »sprechen Sie mir auf die Mailbox vom Handy, wann ich am Flughafen sein soll. Wird Oliver mitfliegen?«
»Ich denke schon. Wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Um Himmels willen, nein!« Sie fürchtete sich zwar vor der Begegnung mit ihm, aber trotzdem freute sie sich, Oliver wiederzusehen.
»Dann machen wir es so. Ich melde mich. Und viel Spaß heute Abend.«
»Danke.«
***
Alex fuhr gemeinsam mit Trevor und Madeleine zum Empfang des Bürgermeisters nach Gracie Mansion. Sicherheitsbeamte kontrollierten ihre Einladungen und ließen sie dann das Tor passieren. Die im Kolonialstil erbaute Villa lag in einem herrlichen Park am East River zwischen hohen, alten Bäumen. Seit sich Bürgermeister Fiorello LaGuardia 1942 das Haus als Wohnsitz ausgesucht hatte, war es Tradition, dass jeder seiner Amtsnachfolger hier lebte. Alex spürte, wie ihr Herz klopfte, als sie mit Madeleine und Trevor das Haus betrat. Sie war sich nicht klar darüber, ob sie Nick Kostidis mochte oder nicht, zudem sie wusste nicht, ob es eine gute Idee gewesen war, seiner Einladungzu folgen. In der Eingangshalle kam Kostidis mit ausgebreiteten Armen und einem herzlichen Lächeln auf sie zugeeilt.
»Meine Frau und ich freuen uns wirklich sehr, dass Sie heute Abend unser Gast sein werden, Alex«, sagte er mit echter Herzlichkeit.
»Es ist mir eine Ehre und eine Freude«, erwiderte sie höflich. Sie traten durch die geöffneten Glastüren hinaus auf eine große Terrasse, von der man einen herrlichen Blick über den East River hatte. Alex lernte Christopher, den Sohn von Nick und Mary Kostidis kennen und Britney Edwards, dessen Verlobte. Danach stellte Kostidis ihr die anderen Gäste vor, wie Jacques Toussaint, den kanadischen Botschafter und seine Frau Véronique, Patrick Grimford, den fast schon legendären Herausgeber der New York Times, den Hollywoodschauspieler Michael Campione, der in Tri-BeCa lebte, den Modekönig Kevin Lang und Francis Dulong, den Seniorpartner der sehr renommierten Anwaltskanzlei Dulong & Kirschbaum. Alex plauderte angeregt mit verschiedenen Leuten. Es war herrlich, sich mit neuen, interessanten Menschen zu unterhalten und die Alltagssorgen für eine Weile vergessen zu können. Die Champagnercocktails und die japanischen Vorspeisen, die livrierte Kellner den Gästen anboten, waren hervorragend, die laue Abendluft nach dem stickigheißen Julitag und die
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