Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
strikt an die ›Chinesische Mauer‹ halten und meine Informationen für mich behalten, bis sie öffentlich bekannt gegeben werden.«
»Sie haben Recht«, Levy beugte sich vor, in seinen Augen stand fast so etwas wie Panik, »genauso sollten Sie es halten. Es war vielleicht ein Fehler von mir, St. John zu viel von der Arbeit der M & A-Abteilung erfahren zu lassen. Sie teilen niemandem mehr etwas mit, außer mir persönlich.«
Alex sah ihn scharf an, dann erhob sie sich.
»Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache, Vincent. Ich werde noch so lange bleiben, bis Sie einen geeigneten Nachfolger für mich gefunden haben.«
Sie wusste, dass Levy sofort mit Sergio über dieses Gespräch sprechen würde, und ihm hatte sie gestern gesagt, dass sie gerne bei LMI kündigen würde. Es passte also perfekt. Im Übrigen hatte sie tatsächlich kein Problem, einen neuen Job zu finden. Erst vor kurzem hatte sie ein interessantes Gespräch mit Carter Ringwood von First Boston geführt, in dessen Verlauf er ihr einen Job angeboten hatte. Levy stand auch auf.
»Ich verstehe Ihren Zorn«, sagte er, »aber bitte treffen Sie keine vorschnelle Entscheidung. Wir sind äußerst zufrieden mit Ihnen und bereit, Ihnen einen neuen Vertrag mit einem höheren Fixum anzubieten. Überdenken Sie das.«
»Es geht mir nicht ums Geld«, erwiderte Alex, »ich verdiene genug. Mein Job gefällt mir. Allerdings nur so lange, wie er mich nicht hinter Gitter bringt.«
»Ich werde das alles zu Ihrer Zufriedenheit regeln«, versprach Levy, »okay?«
»Okay«, sie reichte ihrem Chef die Hand und verließ sein Büro. Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, sank Levy in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch. Er hätte St. John den Hals umdrehen können! Alles war wunderbar gelaufen, aber nein, der Mann hatte sich wie ein verdammter Anfänger benommen und dann auch noch die Nerven verloren. Hätte er Alex nicht verraten, dass er in ihren Papieren herumgeschnüffelthatte, wäre nichts passiert. Zum Teufel mit seiner Gier und seiner krankhaften Profilneurose! Jemand in seiner Position musste sich einfach besser unter Kontrolle haben und durfte sich auf keinen Fall von so profanen Gefühlen wie Neid und Eitelkeit leiten lassen. Aber er konnte es nicht verkraften, dass Alex’ Stern immer heller leuchtete. Levy seufzte, als er den Telefonhörer ergriff und die Nummer von Sergio Vitali wählte. Er hatte gehofft, dass Alex nach drei Monaten besänftigt sein würde, aber das schien nicht der Fall zu sein. Wenn sie ihre Drohung wahr machen und LMI verlassen würde, dann würde es so bald keine lukrativen Nebenverdienste mehr geben. Jemanden zu finden, der so gut war wie sie, war sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Sergio meldete sich am anderen Ende der Leitung persönlich.
»Ich fürchte, sie ahnt etwas«, sagte Levy. »Sie verlangt, dass Zack geht, ansonsten hat sie damit gedroht, dass sie LMI verlassen wird.«
»Ich weiß«, erwiderte Sergio gelassen, »bleib ganz ruhig. Wir haben das Konto für sie eingerichtet und werden ihr das bei passender Gelegenheit mitteilen. Du kannst dich darauf verlassen, dass sie dann ganz zahm wird.«
»Ich weiß nicht. Sie ist nicht leicht einzuschüchtern. Und sie ist wirklich clever.«
Das wusste Sergio auch. Er lächelte leicht. Obwohl er aus ihr noch immer nicht schlau wurde, hatte er doch das Gefühl, dass sie gestern Nacht aufrichtig zu ihm gewesen war. Sie hatte sich über das Collier und die Aussicht, in der Park Avenue leben zu können, wirklich gefreut, sie hatte voller Leidenschaft mit ihm geschlafen und Pläne für eine gemeinsame Zukunft gemacht, ja, und sie hatte ihm von St. John erzählt, dass sie ihm misstraute und deshalb gerne von LMI weggehen würde. Sie hatte ihm auch erzählt, dass sie in Gracie Mansion gewesen war und wie entsetzt sie über den Anschlag auf den Bürgermeister war. So offen hatte Alex noch nie mit ihm gesprochen.
»Sie wird vernünftig sein, Vince«, versicherte er seinem Geschäftspartner jetzt. »Mach dir wegen ihr keine Sorgen.«
»Ich hoffe sehr, dass du Recht behältst.« Levy war nicht recht von Sergios Optimismus überzeugt.
»Das werde ich, wie immer«, entgegnete Sergio. »Ich habe Alex absolut im Griff.«
***
Alex verließ ihr Büro, nachdem sie ein paar Stunden an ihrem Schreibtisch gesessen hatte, ohne etwas zustande zu bringen. Viel zu sehr beschäftigten sie Sergios Verhalten und die Dinge, die sie herausgefunden hatte. Es war klar, dass Levy nicht daran dachte, Zack zu
Weitere Kostenlose Bücher