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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Kränze darüber zu häufen. Sie waren an die Trauer der Angehörigen gewöhnt und taten rasch und schweigend ihre Pflicht, dennoch dauerte es beinahe eine Stunde, bis sie den letzten Kranz auf das Grab gelegt hatten. Frank und die Leibwächter warteten geduldig in der Hitze des Julinachmittags ein paar Meter entfernt. Erst jetzt stand Nick auf und trat an das Grab, in dem schon seine Eltern und Brüder beigesetzt waren. Er schwankte leicht, doch dann straffte er die Schultern und holte tief Luft. Er spürte nicht die Hitze, die sich zwischen den efeuüberwucherten Mauern des alten Friedhofs staute. Er sah nicht den wolkenlosen blauen Himmel, der sich ungeachtet seines Kummers heiter über die Stadt spannte. Er hörte nicht das Gezwitscher der Vögel in den Kronen der dichten alten Bäume. Die Sonne stand schon tief im Westen, als Nick Kostidis seine stumme Zwiesprache mit all jenen beendet hatte, die er in den letzten Jahren hierher hatte begleiten müssen. Mit gesenktem Kopf verließ er den Friedhof, ein Bild des Kummers und der Verzweiflung.

Teil 3

Anfang Oktober 2000
    Nach dem Debakel mit Syncrotron war Zack für ein paar Wochen nach Kalifornien verschwunden. Die offizielle Version war, dass er die geplante Umstrukturierung des Westküsten-Büros von LMI organisieren sollte, Alex allerdings ahnte die Wahrheit. Levy hatte Zack nach L. A. geschickt, bis Gras über die Sache gewachsen war und sie sich beruhigt hatte. Auch Sergio hatte im August die Stadt für eine Weile verlassen und sie war froh, dass er seinen Heiratsantrag, auf den sie ihm eine Antwort schuldig geblieben war, nicht mehr wiederholt hatte. Zu ihrer Erleichterung hatte er sie nie mehr um ein Treffen gebeten, denn allein die Vorstellung ihn zu sehen, verursachte ihr körperliches Unbehagen. Oliver hatte für sie zum 15. Oktober eine andere Wohnung gefunden, weil sie es nicht länger ertragen konnte, in einer Wohnung zu wohnen, die Sergio gehörte. Das umgebaute Loft lag in einem bewachten und durch Kameras gesicherten Gebäudekomplex in TriBeCa, in dem sich verschiedene Wohneinheiten, Büroräume und eine Filmgesellschaft befanden. Am besten gefiel Alex allerdings die Tiefgarage, die Ausgänge auf zwei Straßen hatte, denn so konnte sie möglichen Verfolgern ohne Weiteres entkommen, falls Sergio sie noch immer beschatten ließ. Sie hatte in den letzten Monaten mehrfach mit dem Gedanken gespielt, Nick Kostidis anzurufen, aber sie traute sich nicht. Sie hatte ihm eine Beileidskarte geschickt und später eine vorgedruckte Danksagung erhalten, die er allerdings persönlich unterschrieben hatte.
    Im August schien die gesamte Finanzwelt Ferien zu machen. Die Börse verzeichnete wie in jedem Sommer kaum nennenswerte Aktivität, aber die Ruhe hatte Alex Zeit gelassen, neue Deals vorzubereiten, und im September war dann auch schlagartig eine Flut neuer Transaktionen über Wall Street hereingebrochen, an deren größten und gewinnbringendsten LMI dank Alex beteiligt war. Am 1. Oktober begegnete sie Zack in der Eingangshalle des LMI-Building. Er war schlanker geworden und wirkte entspannt.
    »Begraben wir das Kriegsbeil, Alex«, sagte er freundschaftlich. »Ich habe eine Dummheit gemacht und dafür gehörig eins auf den Deckel gekriegt.«
    Alex traute ihm so wenig wie zuvor, aber aus taktischen Gründen ergriff sie seine ausgestreckte Hand.
    »Frieden?«, fragte Zack.
    »Frieden«, erwiderte sie.
    Es erstaunte sie nicht besonders, dass Sergio noch am selben Nachmittag bei ihr anrief, nur kurz nach Levy, der sie für den Samstagmorgen in sein Büro bestellt hatte. Sicherlich befürchteten sie, sie könne kündigen, weil Zack wieder in der Stadt war. Ihr Spiel war so durchsichtig, dass Alex sich darüber ärgerte. Wie gerne hätte sie Sergio einfach gesagt, er solle sich zum Teufel scheren und sie in Ruhe lassen, aber das konnte sie nicht so einfach tun. Widerstrebend nahm sie seine Einladung zum Abendessen in seinem Appartement in der Park Avenue am kommenden Freitag auf sein beharrliches Drängen hin an.
    ***
    Sergio war braungebrannt, seine blauen Augen leuchteten. Die Schussverletzung, der Tod seines Sohnes – all das war scheinbar spurlos an ihm vorübergegangen. Aber zum ersten Mal, seitdem sie ihn kannte, war Alex nicht von seinem blendenden Aussehen überwältigt und sie bemerkte, dass seine Schönheit so kalt und inhaltslos war, wie die einer antiken Statue. Das Lächeln reichte nicht bis in seine Augen und das kultivierte und charmante Äußere war

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