Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
nur eine dünne Lackschicht über einem rücksichtslosen und brutalen Kern. Hinter der attraktiven Fassade verbarg sich ein herzloser, grausamer Mensch ohne moralische Prinzipien, der keine andere Realität akzeptierte außer seiner eigenen, und sie erkannte in dem Augenblick, als sie ihn sah, dass nie viel mehr als eine rein physische Anziehungskraft zwischen ihnen gewesen war. Sie betraten einen der riesigen Salons, in dessen Mitte ein Tisch für zwei Personen gedeckt war. Während des mehrgängigen Dinners musste Alex alle Kraft aufbieten, um so zu tun als freue sie sich, ihn endlich einmal wieder zu sehen. In Wirklichkeit hätte sie ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt undihn einen Mörder genannt. Sehnsüchtig wartete sie auf das Ende dieses endlosen Abends, doch die Zeit verging quälend langsam. Endlich waren sie beim Digestif angelangt und Sergio führte sie in einen anderen Salon.
»Ich habe auch noch ein kleines Geschenk für dich, Cara«, verkündete er lächelnd und reichte ihr ein kleines Päckchen. »Mach es auf. Ich bin sicher, es wird dir gefallen.«
Alex gehorchte und erstarrte, als sie die Schmuckschatulle öffnete. Auf schwarzem Samt lag ein Weißgoldcollier, über und über mit Brillanten verziert. Nie und nimmer würde sie dieses Geschenk annehmen. Es gäbe ihr das Gefühl, von ihm gekauft zu werden. 30 Silberlinge für ihr Schweigen.
Sergio nahm das Collier und legte es ihr um den Hals. Sie schauderte, als das kühle Metall ihre Haut berührte.
»Wundervoll«, sagte er zufrieden, »ich wusste, wie herrlich es an dir aussehen würde.«
»Das kann ich nicht annehmen«, wehrte Alex ab, »es ist viel zu wertvoll.«
»Doch«, Sergio beugte sich zu ihr und küsste sie, »du kannst. Der schönste Schmuck für die schönste Frau, die ich kenne.«
»Sergio, ich …«, begann Alex, die sich immer unbehaglicher fühlte, doch er legte seinen Zeigefinger auf ihre Lippen und lächelte.
»Das letzte Jahr war für mich in geschäftlicher Hinsicht nicht einfach«, sagte er, »aber jetzt habe ich alle Probleme gelöst und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es an der Zeit ist, mein Leben zu ändern.«
Alex fröstelte. Sie dachte an Nick Kostidis, an David Zuckerman und den Anschlag durch die kolumbianische Drogenmafia. Oh ja, Sergio hatte seine Probleme gelöst, auf seine ganz eigene Art.
»Ich finde«, fuhr er fort, »du solltest hier wohnen. Bei mir. Ich werde die Scheidung von Constanzia einreichen und dann können wir bald heiraten.«
Alex hatte gehofft, dass er dieses Thema niemals wieder anschneiden würde und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Seine Hand, die auf ihrem Knie lag, wanderte ihren Oberschenkel hoch, er bog ihren Kopf zurück und küsste sie.
»Ich liebe dich, Cara«, murmelte er, »ich habe mich so sehr nach dir gesehnt in den letzten Wochen.«
Alex verfluchte sich dafür, dass sie Sergios Einladung angenommen hatte. Sie wollte seine Geschenke nicht, sie konnte seine Berührung nicht ertragen und allein die Vorstellung, mit einem eiskalten Mörder wie ihm verheiratet zu sein, jagte ihr pures Entsetzen ein.
»Wir werden eine Hochzeitsfeier haben, von der die Leute noch in 50 Jahren sprechen«, seine Hände glitten unter ihre Bluse und sein Atem ging schwer, »und dann fahren wir mit der Stella Maris in Flitterwochen, nur du und ich. So lange du willst. Wäre das nicht wundervoll?«
Sergio zog sie auf sich, voller Abschau spürte sie seine Erregung. Was blieb ihr in dieser Situation anderes übrig, als auf sein Spiel einzugehen?
»Ich wünschte, wir könnten schon morgen heiraten«, log sie also und erwiderte seinen Kuss, obwohl sie lieber in Tränen ausgebrochen wäre. »In der Park Avenue wohnen, das war immer mein Traum! Ich bin gespannt, was Trevor und Madeleine dazu sagen werden! Vielleicht könntest du ein Haus auf Long Island kaufen und ich könnte auf der Stelle bei LMI kündigen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde hielt Sergio inne.
»Wenn du das willst, Cara«, flüsterte er heiser, »du kannst tun, was du tun möchtest.«
***
Alex erschien pünktlich um elf Uhr im Büro von Vincent Levy. Sie hatte die ganze Nacht bei Sergio verbringen und die Glückliche spielen müssen, obwohl sie mehrmals daran gedacht hatte, ihn zu ermorden, während er schlief. Heute Morgen hatten sie gemeinsam gefrühstückt und Pläne für Ereignisse geschmiedet, die nie stattfinden würden. Alex wusste nicht, ob Sergio das, was er sagte, wirklich ernst meinte, oder ob dahinter nur
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