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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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hier dann wohl nicht mehr geben«, er lächelte und erhob sich, »und ich habe mich irgendwie daran gewöhnt. Rufst du mich heute Abend noch mal an und erzählst mir, wie es gelaufen ist?«
    »Klar«, sie lächelte. Als er ihr Büro verlassen hatte, schloss sie mit einem Seufzer die Augen. Von ihrem Ehrgeiz war nichts mehr übrig und plötzlich sehnte sie sich nach einem ereignislosen, durchschnittlichen Leben, einer kleinen Familie, einem netten Häuschen mit Garten und einem Mann, der sie liebte.
    ***
    Sie verließ das Haus, in dem sich ihr Loft befand, durch einen der Hinterausgänge. Das blonde Haar hatte sie unter einer Baseballkappe versteckt, sie trug eine abgetragene Lederjacke, Blue Jeans und schwere Doc Martens. Niemand, der sie normalerweisekannte, hätte sie so auf den ersten Blick erkannt. Alex ging an den Müllcontainern im Hof vorbei und betrat das Nachbarhaus. Oliver und sie hatten alle möglichen Fluchtwege für sie ausfindig gemacht, und seitdem sie hier wohnte, benutzte sie diese Umwege, um nicht von Sergios Leuten gesehen zu werden. Sie hatte die Verfolger, die regelmäßig vor dem LMI-Gebäude auf sie lauerten, schon früher bemerkt, die meisten kannte sie mittlerweile vom Sehen. Bisher schien Sergio noch nicht herausgefunden zu haben, wo sie wohnte. Alex betrat die belebte Murray Street. Hier reihte sich ein Restaurant an das andere. Seitdem die wohlhabenden Leute diesen Teil der Stadt für sich entdeckt hatten, wurden fast täglich neue Geschäfte, Restaurants und Boutiquen eröffnet. Es war kurz vor neun, aber auf den Bürgersteigen drängten sich noch die Menschen. Der Indianersommer war in diesem Jahr ungewöhnlich warm, fast noch sommerlich, und die Bars hatten ihre Tische und Stühle auf die Straßen gestellt. Alex ging ein Stück den Broadway entlang und bog dann in die Chambers Street ein. In einer kleinen Seitenstraße entdeckte sie schließlich das unscheinbare Restaurant, das Nick ihr genannt hatte. Gedämpfte griechische Folkloremusik klang ihr entgegen, als sie den großen Raum betrat, an dessen Decke und Wänden täuschend echt wirkendes Plastikweinlaub zu einer Pergola dekoriert war. In allen Ecken standen billige Reproduktionen von antiken Statuen, und Bilder von der Akropolis und vom blauen Mittelmeer mit blendend weißen Häusern verrieten das Heimweh des Besitzers. Die meisten Tische waren noch leer und der Kellner führte sie zu einem Tisch in der Ecke. Schwungvoll fegte er ein paar Krümel von der fleckigen weißen Tischdecke. Alex bestellte ein Glas Weißwein. Es war kurz nach neun, als zwei Männer das Lokal betraten und sich argwöhnisch und prüfend umblickten. Wenig später kam Nick herein. Er lächelte Alex zu, wechselte aber noch ein paar Worte mit dem Koch, bevor er zu ihr an den Tisch kam.
    »Guten Abend, Alex.«
    »Hallo, Nick«, sie lächelte unsicher, das Herz klopfte ihr bis in den Hals.
    »Ich hoffe, Sie haben Hunger«, sagte er. »Ich habe uns zwei Saganaki als Vorspeise bestellt und danach Souflaki.«
    Er blinzelte ihr zu und grinste leicht.
    »Es ist zwar nicht unbedingt das Le Cirque , aber Konstantinos macht die besten Souflaki in der Stadt.«
    »Was immer das ist, ich glaube Ihnen.«
    Sie sahen sich einen Augenblick schweigend an. Alex stellte fest, dass Nick sehr erschöpft aussah, außerdem war sein Gesicht hager geworden. Sein Haar war länger als sonst, ein bläulicher Bartschatten bedeckte seine Wangen, als habe er vergessen, sich zu rasieren.
    »Sie sprechen Griechisch?«, fragte sie, nur, um überhaupt etwas zu sagen.
    »So einigermaßen. Meine Mutter hatte nie richtig Englisch gelernt. In Griechenland würde man mich sofort als Ausländer erkennen, aber Konstantinos freut sich, wenn ich mit ihm griechisch spreche.«
    »Aber Sie sind katholisch, nicht wahr? In Griechenland ist man doch normalerweise ...«
    »Griechisch-orthodox«, er nickte, »meine Eltern waren nicht gläubig, ihnen war es egal, was ich tat. In unserem Viertel gab es einen jungen Pater, der sich um die Straßenkinder kümmerte, Pater Kevin, Sie haben ihn ja kennen gelernt. Er gab mir Bücher zum Lesen und nahm mich mit in die Kirche, wo ich Messdiener werden durfte. Ich glaube, mir gefiel als Kind der einfache Dogmatismus von Gut und Böse des katholischen Glaubens, und so ist es mein Leben lang geblieben.«
    Nick hatte die Hände gefaltet und stützte sein Kinn darauf. Als sie ihn das erste Mal so genau betrachtete, bemerkte Alex, dass seine Augen nicht schwarz, sondern von einem

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