Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
schön misstrauisch, Frank.«
»Das habe ich von Ihnen gelernt, Chef.« Frank lächelte schwach. »Sie waren es, der immer alles hundert Mal in Frage gestellt, bevor sie es geglaubt haben. Und oft genug haben Sie mit Ihrem Misstrauen Recht behalten.«
»Ja«, Nick seufzte niedergeschlagen, »ich habe mir immer viel auf meine Menschenkenntnis eingebildet, aber offensichtlich ist es nicht sehr weit damit her. Ich hätte Ray niemals zugetraut, dass er zu einem solchen Verrat fähig war.«
»Wir sollten uns noch einmal mit Alex unterhalten«, schlug Frank vor, »und schriftliche Beweise verlangen.«
»Ja, vielleicht«, Nick lehnte sich zurück. Frank Cohen erhob sich. Er kannte seinen Chef gut genug, um zu bemerken, dass dieser das Thema nicht weiter vertiefen wollte. Als er fast die Tür erreicht hatte, wandte er sich noch einmal um.
»Ach, Nick?«
»Was gibt es noch?«
»Haben Sie heute daran gedacht, etwas zu essen?«
Nick lächelte kurz, dann nickte er.
»Ich glaube, ich hatte einen Donut zum Frühstück. Jetzt gehen Sie schon. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Chef. Bis morgen.«
Nick wartete, bis sein Assistent die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann öffnete er eine Schublade seines Schreibtisches und nahm ein älteres Exemplar des People Magazine heraus. Er schlug den Bericht über Alex Sontheim auf, und starrte das große Foto von ihr an. Mit einem nachdenklichen Lächeln dachte er an den Morgen am Strand von Montauk, als er sie auf diesem wilden Pferd gesehen hatte, und plötzlich war er sich ganz sicher, dass sie ehrlich zu ihm gewesen war.
***
Am Dienstagnachmittag hatte Alex eine Besprechung mit Vincent Levy, Michael Friedman und Hugh Weinberg. Die drei Männer waren begeistert von ihrem aktuellen Deal, in dem LMI den texanischen Computerhersteller Whithers bei seinen Übernahmeverhandlungen mit Database Inc. vertreten sollte und dafür einen satten Verdienst einstreichen würde. Die Sache war so gut wie unter Dach und Fach. In den nächsten Wochen würden die Einzelheiten abgeklärt werden und noch mehrere Treffen mit den Leuten von Whithers und Database stattfinden. Alex starrte blicklos auf den Bildschirm ihres Notebooks, als sie wieder an ihrem Schreibtisch saß. Bevor sie zu der Besprechung gegangen war, hatte sie mit Carter Ringwood von First Boston telefoniert, und das, was sie ihm gesagt hatte, war ein grober Verstoß gegen jegliche Vorschrift gewesen. Wenn Levy davon erfahren sollte, was sie getan hatte, würde er sie nicht nur rausschmeißen, sondern sie überdies verklagen, und das mit Recht. Alex hatte erfahren, dass First Boston mit der Softland Corporation einen Konkurrenten von Whithers vertrat, der ein ebenso großes Interesse an Database hatte, wie Michael Whithers. Sie hatte Ringwood in einem Nebensatz die Höhe ihres Angebotes verraten. Alex seufzte und stützte ihr Kinn in die Hand. Das Geschäft würde platzen, denn Ringwood würde ihre Information ohne Zweifel zum Vorteil seines Kunden nutzen. Es war Alex gleichgültig. Sie würde ohnehin noch in diesem Monat bei LMI kündigen und die Stadt verlassen. Sie konnte nach Chicago oder San Francisco gehen, nach Europa oder nach Fernost. M & A-Spezialisten waren überall gefragte Leute. Alex grinste bitter, als sie daran dachte, was sich im Augenblick ein paar Stockwerke höher abspielte. Zweifellos hatte Levy unverzüglich seinen Managing Director über den geplanten Whithers-Deal unterrichtet und ganz sicher würde Zack genauso unverzüglich beginnen, eine große Position von Whithers aufzubauen. Sie rechneten damit, dass die baldige Bekanntmachung der Übernahme von Database durch Whithers den Aktienkurs von Whithers enorm in die Höhe treiben würde. So ein Pech für Zack, wenn auf dem Übernahmeschlachtfeld unverhofft ein weißer Ritter namens Softland Corporation auftauchte!Alex war in Gedanken ganz woanders, als die externe Leitung ihres Telefons summte.
»Alex Sontheim«, sagte sie.
»Hallo, Alex. Hier ist Nick.«
»Nick!«, rief sie überrascht, ihr Herz machte ein paar rasche Schläge. »Wie geht es Ihnen? Ich dachte schon, irgendetwas wäre passiert, weil Sie sich nicht mehr gemeldet haben.«
»Oh nein! Es tut mir leid. Ich hatte in den letzten Tagen sehr viel zu tun. Außerdem habe ich nachgedacht.«
»Aha.«
Er zögerte einen Moment.
»Hätten Sie Zeit, heute Abend mit mir essen zu gehen?«
Alex schluckte. Sie hatte nichts vor. Wieso also nicht?
»Gerne«, sagte sie, »wann und wo?«
»In der Chambers Street
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