Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
dringend mit ihm hatte sprechen wollen. Es war für Nelson geradezu unerträglich mit anzusehen, wie Sergio sich benahm, und als er nach dem Dinner mit dem Weib auch noch in den Pool sprang, um dort wie ein Teenager mit ihr herumzualbern und zu knutschen, hatte Nelson sich zurückgezogen. Noch nie in den langen Jahren ihrer Freundschaft hatte Nelson van Mieren erlebt, dass Sergio sich so kindisch benommen hatte, und er verspürte fast so etwas wie Eifersucht. Die beiden Männer hatten sich auf dem katholischen Jungeninternat in Philadelphia kennen gelernt, in das man sie mit sechs Jahren abgeschoben hatte, und die Freundschaft, die die beiden Jungen vor 40 Jahren geschlossen hatten, dauerte bis zum heutigen Tage an. Nelson van Mieren war weit mehr als ein einfacher Anwalt. Er war Spezialist für Straf-und Wirtschaftsrecht und seit gut 30 Jahren Sergios rechte Hand. Gemeinsam hatten sie ein gewaltiges Imperium aufgebaut. Nelson mochte Alex Sontheim nicht, und es gefiel ihm immer weniger, wie sehr sie Sergio den Kopf verdreht hatte. Sie war zweifellos ungewöhnlich schön und sehr intelligent, und genau das machte ihm Sorgen. Es wäre anders, wenn sie ein dummes Ding gewesen wäre, aber intelligente Frauen waren gefährlich. Während sich die beiden den ganzen Tag miteinander vergnügt hatten, war Nelson zu dem Schluss gekommen, dass er Alex’ Einfluss auf Sergio unter allen Umständen unterbinden musste. Es konnte nicht sein, dass Sergio auf andere Ratgeber hörte als auf ihn, und schon gar nicht auf eine Frau. Endlich war Alex im Haus verschwunden. Sergio nahm sich einen Whisky und setzte sich zu Nelson auf die Terrasse. Er lächelte entspannt und wirkte in Shorts und TShirt um Jahre jünger. Ein paar Minuten sprachen sie über Belanglosigkeiten, aber dann beschloss Nelson, Sergio nach demGrund seiner Anwesenheit zu fragen, bevor das Weibsstück wieder auftauchen konnte.
»Ich wollte dich um einen Rat in einer persönlichen Angelegenheit bitten«, antwortete Sergio auf seine Frage, und das erhöhte Nelsons Alarmbereitschaft unwillkürlich um ein Vielfaches.
»Ich habe mich noch nie in meinem Leben so wohl gefühlt«, Sergio lehnte sich zurück und streckte die Beine aus, »seitdem ich Alex kenne, fühle ich mich wie 30. Sie tut mir unglaublich gut.«
»Schön, schön«, erwiderte Nelson. Sergio lächelte vor sich hin und ließ die Eiswürfel in seinem Glas kreisen.
»Was hältst du von ihr?« Die Frage klang beiläufig, aber Nelson war sofort bewusst, wie immens wichtig die richtige Antwort war. Er wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Die tropischen Temperaturen machten seinem Herz und seinem Kreislauf zu schaffen.
»Ich würde gerne deine ehrliche Meinung über sie hören«, sagte Sergio. Nelson zögerte.
»Sie ist eine attraktive Frau«, antwortete er ausweichend.
»Ja, das ist sie«, Sergio nickte, fast ein wenig ungeduldig, »aber darüber hinaus gibt es noch viel mehr, was mir an ihr gefällt. Ich spiele mit dem Gedanken, mich von Constanzia scheiden zu lassen.«
»Das kann nicht dein Ernst sein!«, Nelson starrte seinen Freund ungläubig an. »Willst du die Kleine etwa heiraten?«
»Ich bin einer Frau wie ihr noch nie begegnet«, Sergio lächelte versonnen, »sie hat ihren eigenen Willen. Sie ist erfolgreich. Wenn ich nur an sie denke, habe ich Herzklopfen. Das ist mir noch nie passiert! Ich bin jetzt 56 und ich habe festgestellt, dass ich nicht mehr so leben möchte, wie ich es bisher getan habe. Mit Alex macht mir alles viel mehr Spaß.«
»Spaß!« Nelson schnaubte verächtlich, aber er war nun ernsthaft besorgt. »Du klingst wie ein Achtzehnjähriger! So habe ich dich noch nie reden hören. Was hat diese Frau mit dir gemacht?«
Er ließ seinen Freund nicht aus den Augen. Es reichte nicht, Alex schlecht zu machen. Sergio musste Zweifel an ihr bekommen.
»Was weißt du über sie, über ihre Herkunft, ihre Beweggründe? Mag sie dich, oder ist sie vielleicht nur scharf auf dein Geld, deine Macht und das, was du besitzt? Welches Mädchen fände es nicht toll, mit einem der reichsten Männer Amerikas auf einer 30-Meter-Yacht zu seiner Privatinsel zu kreuzen?«
»Warum sagst du so etwas?«, Sergio richtete sich auf und warf seinem Anwalt einen ungehaltenen Blick zu. Er hatte aufgehört zu lächeln, zwischen seine Augenbrauen stand plötzlich eine scharfe Falte.
»Weil ich möchte«, antwortete Nelson behutsam, »dass du dir darüber klar bist, was du aufs Spiel setzt, wenn
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