Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
Vom Netzwerk:
immer, wenn ich sie sehe, empfinde ich ein Gefühl der Demut und der Dankbarkeit, dass ich hier lebe und nicht in Afrika oder in Russland.«
    »Sie sind ja ein richtiger Philosoph«, entgegnete Alex mit einem spöttischen Unterton. Er warf ihr einen raschen Blick zu.
    »Haben Sie Gott noch nie dafür gedankt, dass Sie so viel Glück im Leben hatten? Dass Sie gesund, clever und hübsch sind und Ihre Chancen nutzen konnten?«
    Alex fühlte sich mit einem Mal unwohl. Sie zerknüllte das Sandwichpapier und schnippte es in den Mülleimer neben der Bank. Was hatte wohl Gott damit zu tun, dass sie erfolgreich war? Sie war es doch, die so hart gearbeitet und auf vieles verzichtet hatte, um Erfolg zu haben!
    »Sind Sie bei den Zeugen Jehovas oder bei Scientology?«, witzelte sie mühsam.
    »Nein«, erwiderte Mark ernst, »ich bin Jude.«
    »Das sollte ein Witz sein«, Alex schnitt eine Grimasse.
    »Über Gott und den Glauben macht man keine Witze.«
    Sie blickte ihn an, dann zuckte sie die Schultern, aber mit einem Mal überkam sie die Erinnerung an die Werte, die ihre streng katholischen Eltern ihr vermittelt hatten. Seit Jahren hatte sie keinen Fuß mehr in eine Kirche gesetzt, obwohl es in New York über 2500 Kirchen gab, und ganz plötzlich hatte sie ein schlechtes Gewissen. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, warf sie einen Blick auf ihre Uhr.
    »Die Mittagspause ist um«, sagte sie, »die Arbeit ruft!«
    »Ich hoffe, ich habe Sie nicht verärgert«, Mark rückte seine Krawatte zurecht, »ich wollte Sie nicht …«
    »Vergessen Sie’s«, unterbrach sie ihn rasch, »gehen wir.«
    Sie gingen schweigend durch den Park zurück, als ein Mann, der ihnen entgegengekommen war, stehen blieb.
    »Mark? Bist du’s?«
    Sie drehten sich um. Alex hatte den Mann noch nie gesehen. Er war ungefähr Mitte 30, sonnengebräunt und trug eine runde Spiegelsonnenbrille. In Jeans, einem T-Shirt der Knights, den hellen Timberlands und dem Rucksack über der Schulter wirkte er wie ein Tourist.
    »Oliver?« Marks Stimme klang ungläubig. Als der Mann nickte, lachten beide und umarmten sich dann herzlich.
    »Alex«, sagte Mark, »darf ich Ihnen meinen alten Freund Oliver Skerritt aus Harvardzeiten vorstellen? Wir haben zusammenJura studiert und ein Zimmer geteilt. Ollie, das ist meine Chefin
    – Alex Sontheim.«
    »Hi, Alex«, Oliver setzte seine Sonnenbrille ab und reichte ihr lächelnd die Hand. Er hatte ein gut geschnittenes Gesicht, einen schmalen Bart über der Oberlippe und am Kinn und wirkte selbstbewusst und gelassen.
    »Hi, Oliver«, antwortete Alex und lächelte. Seine grauen Augen musterten sie prüfend und unwillkürlich hatte Alex das Gefühl, beurteilt zu werden. Sie wusste nicht, ob ihr das gefiel.
    »Seit wann bist du wieder in der Stadt?«, erkundigte sich Mark nun.
    »Seit drei Wochen«, entgegnete Oliver und grinste, »es gibt nichts Schlimmeres, als dort arbeiten zu müssen, wo andere Urlaub machen.«
    »Wo waren Sie denn?«, erkundigte Alex sich höflich, aber ohne großes Interesse.
    »Auf den Caymans«, Oliver Skerritt verzog das Gesicht, »leider geschäftlich. Allerdings hatte ich auch Gelegenheit, ein bisschen zu tauchen. Wirklich nett dort.«
    »Oliver arbeitet für die Financial Times «, erklärte Mark.
    »Ach?«, Alex war überrascht. »Was tun Sie dann in der Karibik?«
    »Eine Reportage über Offshore-Gesellschaften«, sagte er vage, »ich kenne mich etwas mit der Materie aus.«
    »Etwas ist gewaltig untertrieben«, mischte Mark sich ein. »Oliver war bei Simon, Weinstein, Cooper und auf Gesellschaftsrecht spezialisiert. Danach war er Fondsmanager bei Trelawney & Hobbs und betreute spekulative und riskante Hedge-Fonds.«
    Alex betrachtete den Mann mit neuem Interesse.
    »Wieso sind Sie jetzt bei einer Zeitung?«, fragte sie. Oliver lächelte, aber seine Augen blieben ernst.
    »Ich hatte den Job einfach satt«, erwiderte er. »Man wird zu einer skrupellosen, rücksichtslosen Maschine gedrillt, es geht nur noch um immer mehr Kohle und immer mehr Erfolg. Ich wollte mir einen letzten Rest von Menschlichkeit bewahren. Das ganze Geschäft gefällt mir von außen wesentlich besser als von innen, und ich muss endlich nicht mehr meinen Mund halten.«
    »Hat man Sie gefeuert?«, fragte Alex direkt. In seinen grauen Augen blitzte es spöttisch auf.
    »Nein«, auf seinem Gesicht zeigte sich ein Anflug von Belustigung, »ich bin einfach ausgestiegen, habe mir ein Haus auf Martha’s Vineyard gekauft, ein Loft im Village und

Weitere Kostenlose Bücher