Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Stadt. Ich muss noch etwas mit dir besprechen.«
Sergio musterte seinen Sohn voller Abneigung.
»Du hast die Hauptregel meiner Welt nicht verstanden, Cesare.«
»Hauptregel? Was meinst du damit?« Cesare blickte nervös zwischen seinem Vater und den beiden Männern, die mit unbeweglichen Gesichtern neben ihm standen, hin und her.
»Man scheißt nicht dahin, wo man isst.«
Die ungewohnt vulgäre Ausdrucksweise seines Vaters ließ Cesare zusammenzucken.
»Halte mich auf dem Laufenden, Silvio«, sagte Sergio und verließ in Lucas Begleitung den Raum. Cesare sank auf den Stuhl und begann zu schluchzen. Silvio klopfte ihm auf die Schulter und seufzte. Der Boss hatte Recht. Bei dem Jungen waren Hopfen und Malz verloren.
***
Luca di Varese nahm auf der Rückbank der Limousine neben seinem Boss Platz und wartete, bis dieser das Wort ergriff. Er ahnte, über was Sergio mit ihm sprechen wollte. Luca war ein schweigsamer, schlanker Mann von 38 Jahren. Er stammte aus der South Bronx und war schon mit vier Jahren Vollwaise geworden, als seine Eltern bei einem Häuserbrand ums Leben gekommen waren. Die Schwester seiner Mutter war die Cousine von Sergios Frau Constanzia. Irgendwann hatte Sergio den Jungen kennen gelernt und dessen Intelligenz erkannt. Er hatte Luca auf eine Schule geschickt, ihm später ein Studium der Betriebswissenschaft finanziert und ihn mit nur 26 Jahren zum Geschäftsführer der Crown Royal Corporation gemacht. Die Gesellschaft mit dem klangvollen Namen verwaltete sämtliche Hotels und Casinos, die Sergio in ganz Amerika besaß, doch tatsächlich verbarg sich dahinter der illegale Zweig seiner Unternehmungen. Luca di Varese kontrollierte für seinen Boss das illegale Glücksspiel, die Prostitution und den Drogenhandel, aber er war auch zuständig für Geldwäsche der aus diesen Geschäftszweigen stammenden Gelder.
»Der Junge wird allmählich zu einem ernsten Risiko«, sagte Sergio nach einer Weile und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Er kann auf gar keinen Fall in der Stadt bleiben.«
»Werden Sie ihm wirklich nicht helfen?«, fragte Luca.
»Natürlich werde ich das«, Sergio seufzte, »ich hoffe, ich kann die Sache noch heute aus der Welt schaffen. Sobald die Anklage gegen ihn fallen gelassen wird, muss er für eine Weile von hier verschwinden. Ich habe an Europa gedacht.«
»Er könnte bei Barandetti in Neapel arbeiten«, schlug Luca vor, »natürlich nicht für uns, sondern im Fischgroßhandel und im Lager. Gabelstapler fahren und so etwas.«
»Klingt gut. Ruf Michele an. Wenn er nichts für ihn hat, versuche es bei Stefano Piesini in Verona. Es würde Cesare nicht schaden, einen Sommer lang auf einem Weingut zu arbeiten.«
Luca nickte. Eine Weile saßen sie schweigend im Fond der Limousine.
»Allerdings wird er wohl kaum einen ganzen Sommer in Europa bleiben«, sagte Sergio finster, »seine Mama wird ihn wieder bei sich aufnehmen. Wie immer.«
Er wandte den Kopf und blickte Luca ernst an.
»Ich sage es jetzt nur dir, Luca, und nur ein einziges Mal«, seine Stimme war leise, »aber wenn der Fall eintreten sollte, dann erwarte ich von dir, dass du nicht eine Sekunde lang zögerst.«
Luca sah seinen Boss an, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Es ist mir egal, ob er mein Sohn ist oder nicht. Bevor er mir mit seiner Dummheit ernste Schwierigkeiten macht, werde ich ihn opfern. Hast du mich verstanden, Luca?«
»Ja, Boss.«
»Du versprichst mir, dass du dich persönlich darum kümmerst?«
Keine Regung in seinem Gesicht verriet, was Luca di Varese von der Entscheidung seines Bosses hielt. Er stellte keine Fragen, versuchte nicht, ein gutes Wort für Cesare einzulegen. Lucas Loyalität war bedingungslos und ohne jede Kritik.
»Ich verspreche es, Boss.«
***
Alex war bis auf die Haut durchnässt, als sie mit ihren Einkäufen am späten Nachmittag nach Hause kam. Sie stellte die vier Papiertüten auf den Küchentisch und räumte den Inhalt in den Kühlschrank, der wie üblich unter chronischer Leere litt. Sergio hatte eigentlich mit ihr den Tag verbringen wollen, aber dann war ihm ein Termin dazwischen gekommen, und er hatte sie um halb neun nach Hause fahren lassen. Wie jedes Mal, wenn Alex aus der Park Avenue in ihre Wohnung in Greenwich Village kam, fühlte sie sich wie Aschenputtel und ärgerte sich, dass sie zu wenig Zeit hatte, um sich um eine schönere Wohnung zu kümmern. Sie zündete sich eine Zigarette an unddachte über den vergangenen Abend nach. Bei der Erinnerung an die
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