Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
nach kurzem Nachdenken und ging zu seinem Schreibtisch. Wenig später kam Frank in Begleitung einer kleinen, rundlichen Frau von etwa 50 Jahren zurück. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid mit einer Perlenkette und ein schwarzes Cape. Das graue Haar hatte sie modisch kurz geschnitten. Ihrem Gesicht sah man Kummer und Anspannung an, aber in ihren großen braunen Augen blitzten Zorn und Rachsucht. Sie hielt mit beiden Händen eine krokodillederne Handtasche fest umklammert. Unsicher musterte sie die beiden Staatsanwälte.
»Guten Tag, Mr Kostidis«, sagte sie, »danke, dass Sie Zeit für mich haben.«
»Guten Tag«, Nick lächelte etwas gezwungen und reichte ihr die Hand. Immer wieder gelang es jemandem, bis zu seinem Büro vorzudringen, und dann musste er sich irgendwelche Probleme anhören, angefangen vom verlorenen Job, über Eheprobleme bis hin zu Nachbarschaftsstreitigkeiten.
»Womit kann ich Ihnen helfen?«, fragte er. Die Frau bedachte Connors und Shepard mit einem kurzen Blick.
»Die Herren sind von der Staatsanwaltschaft Manhattan«, erklärte Nick höflich, »aber sie sind gerade im Begriff zu gehen.«
»Nein, nein«, erwiderte die Frau, »sie sollen bleiben. Das, was ich zu sagen habe, wird sie auch interessieren.«
Erstaunt blickten die drei Männer die Frau an, die nun ihre Handtasche öffnete, zehn Videokassetten hervorholte und auf Nicks Schreibtisch legte. Lloyd Connors kam neugierig näher.
»Was ist das?«, fragte er. Die Frau blickte ihn kurz an, dann straffte sie entschlossen die Schultern.
»Mein Name ist Constanzia Vitali. Und ich möchte eine Aussage gegen meinen Mann machen.«
***
Monaghan und seine Männer warteten geduldig im Appartement von Justin Savier auf dessen Rückkehr. Die ganze Nacht hatte er sich nicht blicken lassen, dafür hatte das Telefon mehrmals geklingelt, doch jedes Mal, wenn sich der Anrufbeantworter einschaltete, war aufgelegt worden. Es war halb drei nachmittags, als jemand die Haustür aufschloss. Justin Savier warf die Tür mit dem Absatz hinter sich zu und ließ seine Jacke einfach fallen. Er sehnte sich nur noch nach seinem Bett. Vor zwei Stunden war die Maschine aus Georgetown in Newark gelandet und er war mit einem Hubschrauber nach Boston gebracht worden. Alex hatte wahrhaftig Recht gehabt und glücklicherweise glaubten auch die Staatsanwälte die auf den ersten Blick recht abenteuerliche Geschichte. Das, was er im Computer von Levy & Villiers gefunden hatte, waren schlagkräftige Beweise. Justin gähnte und zog den Pullover über den Kopf, als er plötzlich etwas Hartes in seinem Rücken spürte. Er erstarrte.
»Hallo, Mr Savier«, sagte jemand hinter ihm.
»Ha... hallo«, stotterte Justin, »w... wer sind Sie und w... was machen Sie in meiner Wohnung?«
»Wir haben auf Sie gewartet«, erwiderte Henry Monaghan, und Justin flog herum. Er starrte den dicken Mann mit dem Seehundschnauzbart an.
»Wer sind Sie?«, wiederholte er seine Frage.
»Das tut nichts zur Sache.« Monaghan erhob sich mit einer Behändigkeit, die man ihm bei seiner Körperfülle nicht zutraute.
»Was fällt Ihnen ein, in meine Wohnung einzudringen?« Justin brach der Angstschweiß aus. Das waren die Leute, vor denen Alex auf der Flucht war, kein Zweifel.
»Schön, dass Sie das Wort erwähnen«, sagte Monaghan mit dem letzten Rest Freundlichkeit, der ihm nach 19 Stunden Warterei noch geblieben war. »Wir haben nämlich den Verdacht, dass Sie unerlaubt in den Zentralrechner einer New Yorker Investmentfirma eingedrungen sind.«
Justin schluckte nervös.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Sie haben die Sicherheitsvorkehrungen für BankManager 5.3 ausgearbeitet«, sagte Monaghan im Plauderton, »und als Ihr alter Kumpel Mark Ashton Sie gebeten hat, ihm bei einem kleinen Computerproblem zu helfen, da haben Sie es getan.«
»Ich kenne keinen Mark Sowieso.«
»Nicht? Seltsam, dabei waren Sie beide gemeinsam in Harvard. Ich habe Fotos von Ihnen beiden in Ihren Fotoalben gesehen.«
Nur mühsam wahrte er noch die Fassade der Höflichkeit. Am liebsten hätte Monaghan den Kerl, der ihn zum Idioten gemacht hatte, gepackt und zusammengeschlagen.
»Hören Sie, Savier, ich habe keine Zeit für alberne Frage-Antwort-Spielchen, ich will wissen, was Sie ...«
Das Telefon schellte und Monaghan verstummte. Er erkannte das Aufflackern von Panik in Saviers Augen.
»Gehen Sie dran!«, befahl er und als der Mann keine Anstalten machte, nahm er Joey den Revolver aus der Hand und presste ihn
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