Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
sprechen. Könnten Sie in mein Büro kommen?«
»Ja, natürlich«, sagte McIntyre überrascht, »sofort?«
»Wenn es Ihnen jetzt passt ...«
»Selbstverständlich. Ich bin in einer Viertelstunde da.«
McIntyre verließ das Gebäude, in dem das Bauamt untergebracht war und überquerte den Foley Square. Er war bester Laune. Nachdem sie vorgestern aus der Karibik zurückgekehrt waren, hatten sie das Haus besichtigt, das Vitali ihm vermittelt hatte, und Jenny war begeistert gewesen. Es lag in den Dünen mit Blick auf Fire Island und war ein Traum! Noch vier Jahre, dann konnte er sich diesen Traum erfüllen, denn dann würde er endlich in Rente gehen können. Vielleicht auch früher, wenn er einen Arzt fand, der ihn aufgrund seines hohen Blutdrucks eher in den Ruhestand schickte. Jenny würde in den Country Club gehen, er könnte den lieben langen Tag Golf spielen oder segeln. Am Wochenende würden die Kinder und Enkelkinder kommen, man konnte am Strand spazieren gehen, im Pool schwimmen, Tennis spielen oder sonst irgendeiner Freizeitaktivität nachgehen, für die es in der Stadt keinen Platz gab. Ja, es war eine verlockende Aussicht, nach 60 Jahren in Mietwohnungen in dieser verdammten, lauten, dreckigen Stadt direkt am Meer zu leben, in einem eigenen Haus! Pfeifend lief McIntyre die Stufen der City Hall hoch und betrat das Gebäude.
»Hallo, Allie«, sagte er wenig später zu Kostidis’ Sekretärin, »Sie werden von Tag zu Tag hübscher!«
»Danke, Paul«, Allie verzog spöttisch das Gesicht, »Sie lügen wie gedruckt. Der Bürgermeister erwartet Sie. Gehen Sie durch.«
McIntyre grinste und öffnete die Tür, die in das Büro des Bürgermeisters führte.
»Hallo, Nick!«, rief er gut gelaunt, aber dann erblickte er die beiden Männer, die am großen Konferenztisch saßen, und hörte auf zu lächeln. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
»Paul«, Nick Kostidis kam auf ihn zu und reichte ihm die Hand, »danke, dass Sie so schnell kommen konnten. Sie kennen Lloyd Connors und Royce Shepard von der Staatsanwaltschaft Manhattan …«
»Ja, wir kennen uns«, sagte McIntyre vorsichtig, »was gibt es so Dringendes?«
»Nehmen Sie doch Platz«, forderte Connors ihn auf und McIntyre gehorchte. Das ungute Gefühl verstärkte sich, als erdas Tonbandgerät auf dem Tisch sah, und Shepard fragte, ob er etwas dagegen habe, wenn er das Gespräch aufnehmen würde.
»Ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden«, begann Connors, der ziemlich übernächtigt aussah. »Wir haben Beweise dafür, dass Sie ein Konto bei einer Bank namens Levy & Villiers auf den Caymans besitzen.«
McIntyre wurde leichenblass und begann innerlich zu zittern.
»Wir vermuten, dass das Geld auf diesem Konto von Mr Vitali stammt und Sie ihm als Gegenleistung dafür gewisse Gefälligkeiten zugesagt haben.«
McIntyre begegnete Nicks forschendem Blick und eine dunkle Röte kroch ihm vom Hals aufwärts ins Gesicht. Er schluckte nervös.
»Haben Sie etwas zu diesen Vorwürfen zu sagen?«
»Das ... das muss ein Irrtum sein ... ich ...«, stotterte McIntyre und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sein Herz raste und der Puls klopfte ihm in den Ohren. Dicke Schweißperlen standen plötzlich auf seiner Stirn, obwohl es in dem großen Raum nicht gerade warm war. Dieser verdammte Bluthochdruck würde ihn eines Tages umbringen.
»Paul«, sagte Nick, »die Leute von der Staatsanwaltschaft sind nicht hinter Ihnen her, sondern hinter Vitali.«
»Wir haben Unterlagen von diesem Konto, die uns beweisen, dass Sie das Geld, das Ihnen gezahlt wurde, regelmäßig abgehoben und benutzt haben«, fuhr Connors fort, »also?«
McIntyre starrte auf die glänzende Tischplatte und es war ihm, als ob sich ein dunkler Abgrund vor ihm öffnete. Es war der Augenblick, vor dem er sich all die Jahre gefürchtet hatte. Aus der Traum von einem Haus auf Long Island, vorbei die Aussicht auf ein sorgenfreies Leben. Alles war vorbei! Er hatte Glück, wenn er überhaupt noch eine Rente bekommen würde. Bestechlichkeit im Amt war ein ernstes Vergehen, das hart bestraft wurde, ganz abgesehen davon, dass sein Ruf für immer und ewig ruiniert sein würde.
»Es ... es ist wahr«, murmelte er nach einer Weile und sein Selbstbewusstsein fiel wie Asche in sich zusammen. Nick seufzte. In einem Winkel seines Herzens hatte er gehofft, dass es nicht stimmte. Er mochte Paul McIntyre, er hatte ihm vertraut undgut mit ihm zusammengearbeitet. Die
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