Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
eng an ihn und seufzte. Das Gefühl, nicht mehr länger allein zu sein, ließ die enorme Spannung, die in den letzten Tagen auf ihr gelastet hatte, von ihr abfallen und eine angenehme Müdigkeit breitete sich in ihrem Körper aus.
***
Nick lauschte darauf, wie ihre Atemzüge ruhiger wurden. Er betrachtete ihr schlafendes Gesicht und war ganz benommen vonder Heftigkeit seiner Gefühle für die Frau in seinen Armen. Mit einem Anflug schlechten Gewissens dachte er daran, dass es mit Mary nie so gewesen war, so vollkommen und so großartig. Er hatte Mary geliebt, aber trotz der Vertrautheit, die zwischen ihnen geherrscht hatte, war es ihm nie gelungen, sich ihr so ganz und gar zu öffnen, wie er es bei Alex konnte. Nie wäre er vor Mary in Tränen ausgebrochen oder hätte ihr seine Zweifel und Ängste gestanden. Nick seufzte und berührte mit seinen Lippen vorsichtig die zarte Haut in Alex’ Nacken. Das überschäumende Glücksgefühl des Wiedersehens hatte einer ruhigen und tiefen Freude Platz gemacht, die nur von dem Gedanken getrübt wurde, ob seine Liebe zu Alex eine Zukunft hatte. Heute, jetzt, in dieser Nacht, waren sie zwei Menschen, die einander brauchten, weil sie allein und in Bedrängnis waren. Aber wie konnte es weitergehen? Würden sie jemals die Chance haben ihre Liebe zu vertiefen und womöglich öffentlich zu machen oder waren sie dazu verurteilt, sich heimlich zu treffen, immer in der Angst, jemand könne sie entdecken? Irgendwann besiegte die Müdigkeit alle Zweifel und Nick schlief, eng an Alex’ schlafwarmen Körper geschmiegt, ein.
***
Es war vier Uhr morgens, als Luca seinen Boss im Painted Cat anrief.
»Und?«, fragte Sergio. »Ich will keine schlechten Nachrichten hören!«
Er war in einer aggressiven Stimmung, weil es ihm nicht gelungen war, bei den Mädchen in seinem Nachtclub sexuelle Erleichterung zu finden. Sein erneutes Versagen erbitterte und frustrierte ihn und er hatte, entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten, beinahe eine ganze Flasche Scotch getrunken. Immer wieder hatte er an Alex denken müssen und sein Zorn und seine Rachsucht waren ins Unermessliche gewachsen. Sie hatte ihn an der Nase herumgeführt, sie hatte ihn bestohlen und eine seiner Firmen in den Bankrott gestürzt. Und jetzt hatte sie ihn auch noch impotent gemacht! Das war mehr, als sein ohnehin angegriffenes Selbstwertgefühl verkraften konnte. Erstarrte in den Spiegel hinter der Bar und erschrak über sein Aussehen. Sein Gesicht wirkte aufgedunsen, er hatte Tränensäcke unter den blutunterlaufenen Augen, die er zuvor noch nie bemerkt hatte. Fast kam es ihm so vor, als habe ihn mit Alex auch die Illusion verlassen, er könne dem Älterwerden trotzen. Aus dem Spiegel starrte ihn ein Mann Ende 50 an, der unaufhaltsam auf die 60 zuging. Sergio hasste diesen Anblick und doch konnte er nicht die Augen von seinem Spiegelbild abwenden.
»Meine Jungs haben Kostidis zwar am Times Square aus den Augen verloren«, berichtete Luca, »aber sie haben alle Hotels zwischen der 49. und der 45. Straße abgecheckt. Es sieht ganz so aus, als sei Alex unter einem falschen Namen im Portland Square abgestiegen.«
Sergio richtete sich ruckartig auf, seine Hand schloss sich fester um das Whiskyglas. War sie tatsächlich so dumm gewesen, in die Stadt zurückzukehren? Sein Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen und sein Adrenalinspiegel schoss in die Höhe, wie bei einem Jäger, der unverhofft einem kapitalen Hirsch gegenübersteht.
»Hat sie jemand gesehen?«
»Das nicht, aber ich bin auf den Namen ›Chambers‹ gestoßen«, erwiderte Luca, »unter diesem Namen ist sie schon im Marriott in Zürich abgestiegen.«
Ein grimmiges Lächeln flog über Sergios Gesicht. Wenn sich hinter diesem Namen tatsächlich Alex verbarg, dann hatte sie trotz ihrer Cleverness einen Fehler gemacht.
»... und dazu«, fuhr Luca fort, »meint ein Typ vom Portland Square, Kostidis gesehen zu haben. Mit Lederjacke und Baseballkappe getarnt.«
»Wir fahren hin!«, sagte Sergio entschlossen.
»Nein, Boss«, widersprach Luca, »wir sollten warten, bis Kostidis verschwunden und sie alleine ist. Meine Leute sind auf allen Fluren des Hotels. Wenn er ihr Zimmer verlässt, weiß ich das zehn Sekunden später.«
Sergio überlegte einen Moment. Am liebsten wäre er sofort hingefahren. Wenn er Alex mit diesem Bastard in einem Zimmer überraschen sollte, würde er sie auf der Stelle umbringen.Ja, wenn er erfahren sollte, dass sie – alleine der Gedanke
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