Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
seelenlos wie ein Hotel war, dachte er daran, sich eine andere Wohnung irgendwo in der Stadt zu suchen. Er zog sich aus und stellte sich unter die heiße Dusche, die seine verspannten Nackenmuskeln lockerte. Seit zwei Tagen wartete er darauf, dass Alex sich wieder bei ihm meldete. Tate Jenkins hatte tatsächlich einer Amnestie zugestimmt, allerdings nur unter der Prämisse, dass Alex umgehend mit ihm sprach. Die Zeit drängte allmählich, aber Nick hatte keine Möglichkeit, sie zu erreichen. Für einen kurzen Moment dachte er daran, dass sie vielleicht überhaupt nicht mehr nach New York zurückkehren würde. Sie hatte genug Geld und eine neue Identität, es wäre das Einfachste, wenn sie nie mehr einen Fuß in diese Stadt setzen würde, in der man ihr nach dem Leben trachtete. Nick hätte das verstanden und doch verursachte ihm allein die Vorstellung, sie womöglich nie wiederzusehen, einen scharfen Schmerz. Es war ihm gleichgültig, dass er vor Jenkins und Connors ziemlich dumm dastehen würde, wenn Alex verschwundenbliebe. Viel schlimmer würde es sein, sie nicht mehr zu sehen und nicht einmal zu wissen, wo sie war und wie es ihr ging. Nick zog sich einen Bademantel über, ging in die Küche und starrte in den Kühlschrank. Obwohl er die Möglichkeit gehabt hatte, sich an dem opulenten Buffet im Waldorf Astoria satt zu essen, hatte er die Hummerkrabben und Kalbsmedaillons, die gefüllten Wachtelbrüstchen und den Beluga-Kaviar verschmäht. Gerade als er die angebrochene Flasche Milch aus dem Kühlschrank nahm, schellte das Telefon. Vor Schreck ließ er fast die Flasche fallen. Wie jedes Mal in den letzten Tagen, wenn das Telefon geklingelt hatte, hoffte er, dass es Alex sein möge. Diesmal war sie es tatsächlich.
»Hallo Nick«, sagte sie, »ich bin’s.«
»Alex!«, rief er erleichtert. »Wie geht es Ihnen? Ich dachte schon, Ihnen sei etwas zugestoßen!«
»Aus dem Flugzeug konnte ich schlecht anrufen.«
Aus dem Flugzeug? Nicks Herz begann zu klopfen.
»Wo sind Sie jetzt?«, fragte er.
»Wieder in der Stadt.«
»Ich muss mit Ihnen sprechen, Alex, es ist sehr dringend. Ich hatte eine harte Auseinandersetzung mit den Leuten vom FBI, aber es ist mir gelungen, sie dazu zu überreden, den Haftbefehl gegen Sie aufzuheben.«
»Das ist gut.«
»Wann können wir uns treffen?«
Alex zögerte einen Moment und Nick fürchtete, sie würde auflegen.
»Es ist schon spät«, sagte sie, aber dann schien sie sich anders zu besinnen. »Kennen Sie das Portland Square Hotel im Theater Distrikt? 47. Straße West, zwischen der 6. und 7. Avenue. Ich habe Zimmer 211.«
»Okay«, erwiderte Nick, »das finde ich.«
»Gut. Bis später.«
Nick hängte ein und holte tief Luft. Eigentlich müsste er auf der Stelle Lloyd Connors anrufen, aber dann entschied er sich, alleine zu Alex zu fahren. In den nächsten Tagen würde noch genug Zeit sein für Verhöre.
***
»Sollen wir wieder die ganze Nacht hier hocken?«, nörgelte Gino Tardelli. »Es ist gleich elf. Der Typ wird sich bei dem Sauwetter wohl kaum noch irgendwohin auf die Socken machen.«
»Halt die Klappe«, sagte Luca, der die Überwachung des Bürgermeisters persönlich übernommen hatte. Über Handy war er mit 20 Zweiergruppen seiner Männer in ständigem Kontakt. Sie lösten sich mit der Verfolgung ab, damit den Leibwächtern des Bürgermeisters nichts auffiel. In den letzten vier Tagen waren sie kreuz und quer durch die Stadt hinter ihm her gewesen, hatten ihn bei seinen unzähligen öffentlichen Terminen beobachtet und nichts Auffälliges feststellen können. Leider konnten sie seine Telefonate nicht abhören, aber wenn er sich mit Alex traf, dann würden sie es bemerken.
»Wir bleiben bis ein Uhr hier, dann werden wir abgelöst.« Luca zündete sich eine Zigarette an.
»So eine blöde Scheiße«, murrte der andere Mann, »der Kerl liegt im Bett und wir sitzen hier in dieser Affenkälte.«
Fast hätten die beiden Männer nicht bemerkt, wie sich das kleine Seitentor des Parks öffnete. Ein Mann trat heraus. Er trug eine Lederjacke und eine Basecap und ging eilig die East End Avenue hoch.
»Schau mal einer an.« Luca richtete sich auf und ließ den Motor des Wagens an.
»Was ist’n los?«
Luca antwortete nicht und tippte eine Nummer ein, während er das Auto auf die Straße rollen ließ.
»Ich bin’s«, sagte er wenig später, »da kommt ein Typ mit Lederjacke und Basecap die Straße hoch. Ihr müsstet ihn schon sehen.«
»Ja, ich sehe ihn. Er guckt wohl
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