Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
nach einem Taxi.«
»Bleibt an ihm dran und ruft mich an, wenn ihr wisst, wohin er geht.«
»Wer ist das denn?«, fragte Tardelli.
»Schätze, das ist unser Herr Bürgermeister.« Luca steckte das Handy weg. »Ich wette, nicht mal seine Leibwächter wissen, dass er sich aus dem Haus geschlichen hat.«
***
Alex duschte ausgiebig und wusch sich die Haare, wobei die dunkle Farbe zu einem großen Teil verschwand. Die Müdigkeit war verflogen, sie befand sich in einem Zustand nervöser Anspannung, der ihre Hände zittern und ihr Herz klopfen ließ. Nick war auf dem Weg zu ihr! War es richtig, dass sie sich alleine mit ihm in einem Hotelzimmer traf? Sie wurde in ganz Amerika wegen Mordes gesucht und es konnte ihm sehr schaden, wenn jemand davon erfuhr, dass er sich mit ihr getroffen hatte. Trotz ihrer Bedenken freute sie sich darauf, ihn zu sehen, denn ihr erging es nicht anders, als ihm: Seit Tagen dachte sie immer wieder an ihn. Alex betrachtete ihr ungeschminktes Gesicht im schummerigen Licht des Badezimmerspiegels. Noch hatte sie die Möglichkeit, auszusteigen. Niemand außer Nick wusste, dass sie wieder in der Stadt war. Sie konnte auf Nimmerwiedersehen aus New York zu verschwinden. Aber was würde das für ein Leben sein? Niemals hätte sie gedacht, wie furchtbar es sein konnte, mit einem gefälschten Pass auf der Flucht zu sein. Bei jeder Passkontrolle hatte sie innerlich vor Angst gebebt. Hielten Zollbeamte und Polizisten ihren Pass länger in der Hand als den anderer Leute? Starrten sie sie genauer an als andere? Jedes Mal war ihr speiübel gewesen und sie hatte weiche Knie gehabt, wenn sie schließlich unbehelligt weitergehen durfte. Nein, sie war für ein solches Leben nicht geeignet und konnte nur hoffen, dass dieser Alptraum eines Tages vorbei sein würde. Sicherlich zum tausendsten Mal, seitdem sie Zacks Leiche erblickt hatte, wünschte sie sich, sie hätte die Finger von alldem gelassen. Sie ging in das Zimmer zurück und stellte den Fernseher an. Das Hotel war einfach, aber sauber. Niemand hatte einen Pass sehen wollen und sie hatte sich als Mr and Mrs Bernard Chambers aus Tallahassee, Florida, eingetragen. In einem Liquor Store nebenan hatte sie eine Flasche Champagner und vier Dosen Cola eingekauft, dazu zwei Tüten Chips und zwei lappige Sandwichs in Klarsichtfolie. Den Alkohol brauchte sie, um einschlafen zu können. Ein, zwei Gläser Champagner auf leeren Magen beruhigten ihre zitternden Nerven. Im Portland Square Hotel, das vor allen Dingen von theaterbegeisterten Touristen belegt war, würde sie zumindest für eine Nacht vor Sergio sicher sein.
***
Nick ahnte, dass Vitali ihn überwachen ließ, und zwar nicht, weil er wissen wollte, was er so den ganzen Tag tat, sondern weil er hoffte, dass er ihn zu Alex führen würde, falls sie wieder auftauchte. Aus diesem Grund hatte er sich am belebten Times Square absetzen lassen und nahm es in Kauf, bei einem Fußmarsch nass zu werden. Er durfte Vitali nicht auf Alex’ Fährte locken. Für diese Nacht mochte sie im Portland Square sicher sein, aber morgen musste sie unbedingt woanders hin. Vitali würde es fertigbringen, seine Spürhunde ganz Midtown Manhattan absuchen zu lassen, wenn er den Verdacht hätte, dass Alex sich hier irgendwo aufhielt. Nick betrat die wenig spektakuläre Lobby des Portland Square Hotel, die voller Menschen war. Die Theatervorstellungen waren zu Ende und die Leute gingen zurück in ihre Hotels, weil bei diesem Wetter ein Stadtbummel wenig reizvoll war. Da der Aufzug besetzt war, nahm er die Treppe in den 2. Stock. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, als er sich dem Zimmer mit der Nummer 211 näherte. Er holte tief Luft und klopfte an.
»Wer ist da?«, hörte er Alex’ Stimme durch die billige furnierte Tür.
»Ich bin’s. Nick.«
Sekunden später wurde die Tür aufgerissen und sie stand vor ihm. Nicks Herz machte einen glücklichen, wilden Satz, als er sie erblickte, blass, aber immer noch wunderschön. Die Aufregungen der letzten Tage hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Sie war nicht die eiskalte, abgebrühte Person, als die die Presse sie bezeichnete, und ganz bestimmt war sie keine berechnende Mörderin. Die Frau, die ihm gegenüberstand, war verängstigt und durcheinander und genauso einsam wie er selbst. Sie wäre nicht zurück in die Stadt gekommen, wenn sie all das getan hätte, wessen man sie beschuldigte. Alex war unschuldig Opfer einer Intrige geworden. Er trat ein und sie schloss die Tür hinter
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