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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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gesenktem Kopf, »es ist zum Kotzen.«
    Sie verließen den Park in der Höhe des Metropolitan Museum. Immer wieder wurde Nick von jemandem gegrüßt, aber er erwiderte keinen einzigen Gruß. Mary ahnte, dass der Vorfall mit Zuckerman ihren Mann wahrhaftig sehr mitgenommen haben musste, denn normalerweise war er in der Öffentlichkeit ganz in seinem Element. Er war dafür bekannt, dass er für jeden ein offenes Ohr hatte, doch heute Abend sah er müde und sehr erschöpft aus. Sie überquerten die Straße und Nick machte den vorbeifahrenden Taxis Zeichen.
    »Ich möchte wissen, ob Frank überhaupt ein Privatleben hat«, sagte er nachdenklich. Mary lächelte und zuckte die Schultern.Sie kannte Frank Cohen seit vielen Jahren, aber sie mochte den wortkargen und verschlossenen Mann nicht wirklich. Nicks anderer Assistent, Raymond Howard, war ihr um einiges lieber. Er war ein echter New Yorker mit seinem bissigen, manchmal zynischen Humor. Howard war lebhaft, charmant und sehr unterhaltsam, er sprach schnell, bewegte sich, als sei er ständig unter Zeitdruck und blickte mit kaum verhohlener Herablassung auf die herab, die das Pech hatten, nicht in New York geboren zu sein. Verglichen mit ihm wirkte Frank steif und eigentümlich, und während Ray Howard es genoss, an Nicks Seite im Licht der Öffentlichkeit zu stehen, erledigte Frank lieber die Arbeiten im Hintergrund. Einmal hatte Mary ihrem Mann gegenüber bemerkt, dass Frank etwas Seltsames an sich habe, doch da hatte Nick nur gelacht.
    ›Gott, Mary‹, hatte er gesagt, ›ich bin heilfroh, dass ich einen Mann wie Cohen habe. Er organisiert das ganze Büro für mich und scheint mir oft der einzig normale Mensch in meiner ganzen Umgebung zu sein.‹
    Bereits das dritte Taxi hielt an.
    »Christopher kommt am Wochenende in die Stadt«, sagte Mary, als sie auf dem Rücksitz des gelben Taxis saßen, das von der 5th Avenue in die 86. Straße Richtung Carl-Schurz-Park abbog, wo sich Gracie Mansion, die offizielle Residenz des New Yorker Bürgermeisters befand.
    »Oh«, murmelte Nick gedankenverloren, »schön.«
    »Er bringt seine Freundin mit«, Mary merkte, dass ihr Mann nicht richtig zuhörte, »er will sie dir vorstellen. Du hast am Wochenende doch sicher etwas Zeit für die beiden, oder?«
    »Wie bitte?« Nick blickte seine Frau entschuldigend an. »Ich war gerade in Gedanken.«
    Mary seufzte und wiederholte geduldig das Gesagte.
    »Chris hat eine Freundin?«, fragte Nick überrascht. »Davon weiß ich ja gar nichts!«
    »Deshalb kommt er ja in die Stadt«, erwiderte Mary, »sie heißt Britney Edwards und studiert Kunstgeschichte und Philosophie im dritten Semester in Radcliffe. Ihre Familie lebt in Hudson Valley und ihr Vater ist ein hochrangiger Offizier in West Point.«
    »Aha. Und wie ernst ist Chris diese Sache?«
    »Ich denke, ziemlich ernst. Er will sie heiraten.«
    »Heiraten?« Nick starrte seine Frau irritiert an.
    »Wieso nicht?« Sie lachte. »Er ist immerhin schon 29. Da waren wir beide schon lange verheiratet und hatten ein Kind.«
    »Ja, sicher, aber ...«, Nick schüttelte den Kopf. Unglaublich, dass der Junge schon 29 sein sollte! Es kam ihm so vor, als sei sein erster Schultag erst gestern gewesen! Wie schnell doch die Zeit verging. Christopher war ein guter Junge, der ihm nie Sorgen gemacht hatte. Highschool, zwei Jahre bei der Air Force, ein abgeschlossenes Medizinstudium und nun ein guter Job im Washington Memorial Hospital – sein Lebenslauf war vorbildlich. Und er hatte es ihm nie zum Vorwurf gemacht, dass er so wenig Zeit für ihn gehabt hatte. Er hatte sich nicht darüber beschwert, dass sein Vater nur selten mit ihm zum Baseball oder ins Kino ging, wie es die Väter seiner Freunde zu tun pflegten.
    »An seinen Kindern merkt man erst, wie alt man wird«, sagte Nick und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, »ich habe noch so viele Pläne für die Zukunft, aber ich habe immer öfter das Gefühl, dass mir die Zeit davonläuft und ich es nicht mehr schaffen werden, sie alle umzusetzen.«
    »Du bist doch nicht alt, mein Lieber«, Mary ergriff seine Hand, »du bist ein Mann in den besten Jahren.«
    »Ein taktvoller Euphemismus«, Nicks Lächeln war bitter, »ich fühle mich uralt. Alles wird schwerer. Ich war so euphorisch und so sicher, dass ich Erfolg haben werde. Und jetzt ...«
    Er verstummte.
    »Du darfst den Tod dieses Mannes nicht persönlich nehmen.«
    »Das tue ich nicht. Es ist die Situation, die ich persönlich nehme. Ich habe versagt.

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