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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Erpressung, von gefälschten Bauanträgen und falschen Plänen, von überhöhten Kalkulationen und Preisabsprachen geredet. Seine Aussage wäre für Sergio Vitali mehr als unangenehm geworden. Bei der ersten Untersuchung vor der Grand Jury im November des vergangenen Jahres hatte Zuckerman sich auf Anraten seines Anwalts auf den 5. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten berufen, nach dem man eine Aussage verweigern kann, falls man sich durch sie selbst belastet. Obwohl dies als ein deutliches Schuldanerkenntnis zu werten war, hatte die Staatsanwaltschaft die Untersuchung mit der Begründung, es gebe keine stichhaltigen Beweise, beendet. Kostidis war an die Decke gegangen und hatte alles darangesetzt, dass Zuckerman in Haft blieb und der Fall wieder aufgerollt wurde. Es war ihm gelungen, eine neue Untersuchungskommission einzusetzen, und er war sich hundertprozentig sicher, dass Vitali diesmal seinen Kopf nicht mehr aus der Schlinge ziehen konnte. Ohne Zweifel würde es Nick tief erschüttern, wenn er vom Tod Zuckermans erfuhr. Erst vor zwei Tagen hatte man den Mann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom Metropolitan Correction Center unter der Bewachung von 15 FBIAgenten in ein Hotel gebracht, wo er vor seiner Aussage völlig abgeschirmt werden sollte. Und nun war er tot. Erschossen. Ganzoffensichtlich hatte Vitali davon erfahren, dass Zuckerman beschlossen hatte, mit den Behörden zu kooperieren. Er hatte nicht lange gezögert und einen Killer geschickt, der seinen Job heute Abend erledigt und das FBI damit düpiert hatte. Frank seufzte. Er hätte seinem Chef gerne einen ruhigen Abend mit seiner Frau gegönnt, aber er musste ihm die Hiobsbotschaft sofort überbringen, bevor er sie am nächsten Morgen aus der Zeitung erfuhr.
    »Ich werde den Bürgermeister sofort informieren«, sagte Frank zu dem FBI-Beamten, »danke, dass Sie angerufen haben, Truman.«
    Er hängte ein und schaltete seinen Computer aus.
    »So eine gottverdammte Scheiße«, fluchte er und machte sich auf den Weg zu seinem Auto in der Tiefgarage der City Hall.
    ***
    Eine halbe Stunde später stand Frank seinem Chef gegenüber. Eigentlich hatte er einen Wutanfall erwartet, wilden Zorn und harte Worte über die Dummheit des FBI, doch stattdessen nahm Nick Kostidis die Nachricht vom Tode des Hauptbelastungszeugen gegen Sergio Vitali lediglich mit einem resignierten Kopfnicken auf. Er ließ sich auf eine der steinernen Bänke am Rande des Vorplatzes des Delacorte-Theaters im Central Park sinken und rieb sich müde die Augen.
    »Dahinter steckt Vitali, kein Zweifel«, sagte er düster.
    Gedämpft klangen Stimmen und Applaus aus dem vollbesetzten Halbrund des Theaters herüber.
    »Es tut mir echt leid, Chef«, sagte Frank leise. Im hellen Licht der Laternen bemerkte er die Falten, die sich in Kostidis’ Gesicht gegraben hatten, die dunklen Schatten unter den müden Augen, in denen jedes Feuer erloschen schien. Mit einem Mal fand Frank, dass sein Chef um Jahre gealtert wirkte. Seine Energie, seine unglaubliche Vitalität und seine Begeisterung waren verschwunden. Kostidis hob den Kopf und starrte seinen engsten Mitarbeiter einen Moment stumm an. Dann seufzte er.
    »Ich frage mich manchmal, ob es richtig ist, was ich tue, oder ob ich nicht vor lauter Übereifer gravierende Fehler mache«, sagte er leise.
    »Fehler?« Frank war erstaunt. Er kannte seinen Chef nicht als Zweifler.
    »Ja«, Kostidis lehnte sich zurück und schloss die Augen, »Zuckerman würde noch leben, wenn ich nicht darauf bestanden hätte, ihn so lange in Haft zu lassen, bis er auspackt. Mit meiner Besessenheit, Vitali das Handwerk zu legen, habe ich seine Frau zur Witwe und seine Kinder zu Halbwaisen gemacht. Jetzt ist er tot und wir sind trotzdem keinen Schritt weiter.«
    Frank schwieg betroffen.
    »Vitali ist stärker als ich«, fuhr Nick Kostidis fort, »er ist stärker, weil er rücksichtslos ist. Weil er kein Gewissen hat und sich nicht um Menschenleben schert. Was habe ich nur angerichtet?«
    »Aber Nick«, widersprach Frank, »wir waren im Recht. Wie konnten wir ahnen, dass man Zuckerman erschießen wird? Mit seiner Aussage hätten wir zehn Fliegen mit einer Klappe schlagen können.«
    »Haben wir wirklich das Recht, im Namen der Gerechtigkeit das Leben eines Menschen aufs Spiel zu setzen?« Kostidis öffnete die Augen. »Ich weiß es selbst nicht mehr. Früher war ich mir immer sicher, dass das, was ich tat, richtig und gut war. Heute zweifle ich daran, dass etwas gut

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