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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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ist verletzt.«
    »Wir bringen dich zu Dr. Sutton, Sergio«, sagte Nelson, »ich habe ihn schon angerufen. In seiner Klinik bist du sicher.«
    Sicher? Vor was? Vor einem zweiten Attentat? Alex spürte, wie ihre Knie wieder zu zittern begannen. Kostidis hatte sie gewarnt, aber sie hatte ihm wieder nicht glauben wollen. Nun gab es keine Ausflüchte mehr, keine Beschönigungen und keinen Zweifel daran, dass Sergio mit der Unterwelt zu tun hatte. Vor einer halben Stunde hatte sie miterlebt, wie jemand ein Attentat auf sein Leben verübt hatte, das nur aus Zufall fehlgeschlagen war, und draußen befanden sich fast 50 schwer bewaffnete Männer. Der Gedanke, dass sie sich im New Yorker Hauptquartier der Mafia befand, war fast schon grotesk.
    »Okay«, sagte Sergio gerade mit schmerzverzerrtem Gesicht, »wo ist Natale? Er soll ...«
    Van Mieren machte eine Handbewegung und Sergio verstummte. Sein Blick fiel auf Alex, die wie gelähmt an der Wand neben einem Aktenregal stand und ihn angstvoll anstarrte.
    »Cara«, Sergio streckte seine rechte Hand aus und lächelte mühsam, »komm her zu mir.«
    Zögernd ging sie zu ihm und ergriff seine Hand, die ungewöhnlich kalt war. Seine Augen glänzten wie im Fieber, er schwitzte, obwohl es nicht sonderlich warm war. Obwohl offensichtlich geschwächt, war er noch immer ganz Herr der Lage.
    »Ich bedaure, dass du das mitbekommen hast«, er verzog das Gesicht, »aber du wolltest ja wissen, weshalb ich heute Abend mit Leibwächtern unterwegs war.«
    Alex verschlug es einen Moment die Sprache und dann verwandelte sich ihre Angst in heißen Zorn. Sie zog ihre Hand weg.
    »Du hast damit gerechnet, dass so etwas passieren könnte«, flüsterte sie, »aber du hast es nicht für notwendig gehalten, mir das zu sagen. Ich bin dir in Wahrheit so gleichgültig, dass du mich leichtfertig in Lebensgefahr gebracht hast!«
    »Es tut mir leid.«
    Alex ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte sie ihm in sein ausdrucksloses Gesicht geschlagen.
    »Fahr zur Hölle, Sergio«, zischte sie, »das werde ich dir niemals verzeihen.«
    Sie wandte sich ab, bevor er etwas erwidern konnte. Je schneller sie dieses düstere Lagerhaus, diese finsteren Gestalten und den ganzen Alptraum hinter sich lassen konnte, desto besser.
    ***
    Marvin Finnegan spielte mit ein paar Kollegen Karten, als um kurz nach ein Uhr morgens eine Notrufmeldung bei der Zentrale des 41. Polizeireviers in Morrissania in der South Bronx einging. Es war eine vergleichsweise ruhige Nacht und die Beamten, die nicht auf Streife waren, vertrieben sich die Zeit mit Kartenspielen. Die Gegend, in der das 41. Polizeirevier lag, gehörte zu den heruntergekommensten Stadtvierteln New Yorks und schien von den glitzernden Wolkenkratzern Manhattans, von den Edelboutiquen an der Fifth Avenue und den vornehmen Appartementhäusern der Upper East Side so weit entfernt zu sein wie vom Mond. Von der Stadtverwaltung traute sich schon lange niemand mehr in die South Bronx, in dem viel zu wenige desillusionierte und korrupte Polizisten oberflächlich für Ruhe sorgten. Drogen waren nichts Ungewöhnliches in der South Bronx.Der ganze Stadtbezirk war vollkommen heruntergewirtschaftet und die Leute, die in den menschenunwürdigen Behausungen lebten, waren verbittert, entmutigt oder hatten längst resigniert. Das Rauschgift tröstete sie über ihr alltägliches Elend hinweg. Es gab keine Familie, in der nicht mindestens einer an der Nadel hing. Die meisten Männer vertranken die paar Dollar, die sie von der Sozialhilfe bekamen, und handgreifliche Familienstreitigkeiten waren in den winzigen Wohnungen, in denen manchmal mehr als zehn Personen aufeinanderhockten, an der Tagesordnung. Das Elend und die Verwahrlosung waren bedrückend. Die hässlichen Mietskasernen verfielen, weil sich niemand mehr um den Erhalt der Bausubstanz kümmerte, manchmal brannten sie ab, und der Anblick der Trümmerhalden und Ruinen war allgegenwärtig, genauso wie der Anblick der Prostituierten und Stricher am Hunts Point, der Drogendealer und jugendlichen Gewaltverbrecher. Die meisten Polizisten waren nicht weniger frustriert als die Bewohner des Viertels. Sie nahmen Schmiergelder von Drogenhändlern und kassierten Schutzgelder von Ladenbesitzern, wenn sie sich nicht krankschreiben oder in eine andere Gegend der Stadt versetzen ließen. Marvin Finnegan war seit 16 Jahren Polizist in diesem elendsten aller Stadtviertel New York Citys. Er war hier geboren und aufgewachsen und hatte die South

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