Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Partner. »He, Tommy!«
»Ich glaub, mich hat’s erwischt«, flüsterte der junge Mann und stöhnte.
»Scheiße!« Finnegan richtete sich auf. »Wir brauchen einen Krankenwagen! Es hat Tommy erwischt!«
Zwei Polizeibeamte kamen herbeigelaufen. Im Licht der Stablampe von Mendoza erkannte Finnegan, dass Ganelli von der Kugel im Bauch getroffen worden war. In der Eile hatte er vergessen, seine kugelsichere Weste anzuziehen.
»Verdammte Scheiße«, fluchte er und tätschelte dem Freund und Partner verzweifelt das Gesicht, »halt durch, Tommy! Halt bloß durch! Wir bringen dich ins Krankenhaus, Junge. Es wird alles wieder gut.«
Ganelli lächelte matt. Von Ferne näherten sich schon die Sirenen der Feuerwehr. Schaulustige tauchten auf. Aus den zerbrochenen Kellerfenstern des Hauses drang beißender Qualm. Die Beamten zwangen die fünf Männer, sich mit gegrätschten Beinen an die mit Graffiti beschmierte Hauswand zu stellen und durchsuchten sie nach Waffen, bevor sie ihnen Handschellen anlegten. Jimmy Soames beugte sich über den Mann, den Finnegan erwischt hatte.
»Der braucht keinen Krankenwagen mehr«, bemerkte er und steckte seine Dienstwaffe ins Schulterhalfter, »der ist mausetot.«
Finnegan hockte neben seinem verletzten Partner auf dem Boden im Nieselregen, der seine Uniform durchweichte, bis der Krankenwagen anrückte. Er sah das Blut, das Ganelli in einem schmalen Rinnsal aus dem Mundwinkel rann, er sah den glasiger werdenden Blick und ahnte, dass der Junge sterben würde. Dabei war er erst 28 Jahre alt.
***
Als sie das Revier erreichten, hatte die Nachricht, dass ein Kollege niedergeschossen worden war, bereits die Runde gemacht. Im Wachraum herrschte eine für diese Uhrzeit ungewöhnlich hektische Betriebsamkeit. Wie Motten vom Licht waren Scharen von Reportern von der Meldung angezogen worden, dass man in der South Bronx ein paar Kerle bei einer offensichtlichen Entmietungsaktion festgenommen hatte und ein Polizist angeschossen worden war. Lieutenant O’Malley trat Finnegan in den Weg.
»Du wirst es nicht glauben«, sagte er, »aber einer von den Typen ist der Sohn von Vitali, diesem Baulöwen aus Manhattan.«
»Ach«, Finnegan grinste kalt, »das ist ja ein echtes Sahnehäubchen.«
Ungeduldig schob er sich durch die wartenden Presseleute, ohne auf ihre Fragen einzugehen. Im Untergeschoss bei den Verhörräumen traf er auf Lieutenant Peters.
»Schlimm, das mit Tommy«, sagte er mitfühlend zu Finnegan, »man hat ihn ins Fordham gebracht.«
»Wenigstens ist eins von diesen Schweinen hinüber.«
»Ja«, Peters nickte, »ich hab’s gehört. Kopfschuss.«
»Es war nur zu spät. Er hatte Tommy schon erwischt.«
Peters blickte Finnegan prüfend an, dann klopfte er ihm auf die Schulter.
»Ich glaube, es ist besser, du machst Schluss für heute, Marv.«
»Nein. ich bleibe hier, bis ich weiß, was mit Tommy los ist«, widersprach Finnegan. »Mir geht es gut, Pat. Ich bin ganz ruhig, okay?«
»Okay«, Pat Peters nickte, »euch scheint übrigens ein großer Fisch ins Netz gegangen zu sein. Sieht so aus, als könnten wir tatsächlich mal an einen der Hintermänner rankommen.«
»Ich hab’s schon gehört. Der Sohn von Vitali«, erwiderte Finnegan. »Du solltest den Bürgermeister informieren. Das wird ihn interessieren.«
»Das soll Captain Tremell entscheiden«, sagte Peters, »er ist auf dem Weg hierher.«
Finnegan hängte seine Jacke über den Kleiderständer und ging zu den Verhörräumen, in denen die fünf Verhafteten eingesperrt worden waren. Mendoza und Soames kamen ihm entgegen, während Lieutenant Peters hoch in den Wachraum ging, um Captain Tremell, dem Kommandanten des 41. Polizeireviers, Bericht über die nächtlichen Vorfälle zu erstatten.
»Wo ist Vitali Junior?«, fragte Finnegan den wachhabenden Beamten. Der warf einen Blick auf das entschlossene Gesicht seines Kollegen und kapierte. Er nickte in Richtung der Tür direkt gegenüber seinem Schreibtisch und stand auf.
»Ich geh’ mir mal nen Kaffee holen ...«
***
Cesare Vitali blickte die drei Beamten mit einem höhnischen Grinsen an, das selbstsicher wirken sollte. In seinen dunklen Augen aber las Finnegan Angst. Er erkannte mit einem Blick, dass der Kerl high war. Natürlich hatte er kein Crack geraucht oder H gespritzt, wie es die armen Bürschchen hier taten, er hatte Koks genommen. Mendoza und Soames bauten sich vor der Tür auf.
»Ich will telefonieren!«, forderte der Junge.
»Jetzt nicht«, entgegnete Finnegan
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