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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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verführt, den Vertrag als überholt anzusehen. Mit dem Geld des Deys seid Ihr groß und mächtig geworden und meint nun, die Pflicht, die Euch daraus erwächst, eben durch Euren Reichtum abtun zu können. Einige Zeit ist Euch noch gewährt, den Vertrag zu erfüllen. Sagen wir: bis Ende Mai. Danach – « Benelli schweigt.
    Dieses Schweigen aber kündet Gefahr.
    Gravelli streckt noch nicht die Waffen. »Danach?«
    fragt er zurück. Er möchte den Gegner verleiten, etwas von seinem Spiel zu zeigen. Eine Kleinigkeit schon wür-de dem klarsichtigen Finanzmann genügen, von sich aus Maßnahmen zur Vereitlung des Vorhabens zu ergreifen.
    Der unheimliche Gast lächelt hämisch. Er durchschaut den Bankier. Ganz unpersönlich, leicht plaudernd, wirft er hin:
    »Was nützt einem toten Mann all sein ergaunertes Geld!«
    Gravelli versteht. Er erhebt sich, geht, verfolgt von den Blicken Benellis, zu einem Schrank, dem er einige Bogen Papier und Schreibzeug entnimmt. Hastig schreibt er ein paar Zeilen, streut Sand darauf und schiebt dem Besucher das Blatt hin:
    »Hier, bringt das dem Dey und gebt mir meinen Vertrag zurück.«
    »Ein Wechsel! Ausgezeichnet.« Benelli liest die Anweisung langsam Wort für Wort, nickt verschiedentlich zustimmend. »Das Haus, auf das er gezogen ist, ist eines der ersten und sichersten Italiens. Ihr habt Euch fest in den Sattel gesetzt, Freund, alle Hochachtung!«
    »Erseht Ihr daraus, daß ich es ehrlich meine?«
    »Niemals haben wir an der Ehrlichkeit Agostino Gravellis gezweifelt. Oh, Ihr braucht Euch nicht an dem Ton zu stoßen, den ich dem Worte ,Ehrlichkeit’ unterlegte.
    Über solche Kleinigkeiten, wie den Sinn und Klang eines Wortes, sind wir ja beide hinaus, nicht wahr?«
    Der Bankier geht auch darüber hinweg, obwohl es ihm ist, als habe er eine Ohrfeige erhalten. »Wollt Ihr das Geschäft für den Dey in dieser Weise machen? – Für Eure Bemühungen dieses.« Ein zweiter Wechsel wird hinübergeschoben.
    »Zehntausend Lire italiana! Eine schöne runde Summe.
    Ihr seid großzügig, Gravelli!«
    »Soll ich meine Freunde schäbig behandeln?« fragt Gravelli gönnerhaft zurück. Er hätte noch hinzusetzen können, daß der Betrag eine Lächerlichkeit bei seinem Reichtum ist, aber er unterläßt es. Vielleicht ist Benelli doch nicht so tief in seine Geschäfte eingeweiht, und ihm selbst Fingerzeige für Rückschlüsse zu geben, dazu ist der alte Bankier zu vorsichtig und zu schlau. »Das Schicksal möge mich für alle Zukunft davor bewahren, geizig und undankbar zu sein. Bitte, gebt mir meinen Vertrag zurück.«
    »Sofort, Gravelli. Gleich, gleich.«
    Der Bankier atmet erleichtert auf, als er sein Gegenüber so freundlich und im leichten Unterhaltungston sprechen hört und ihn so friedlich im Sessel sitzen sieht. Umständlich kramt Benelli den Vertrag heraus, fächelt sich das Gesicht mit ihm. Das Kinn hat er in die Linke gestützt, der Zeigefinger liegt an der Nase.
    Nach einer kleinen Pause, die eingetreten ist, spricht der Besucher weiter:
    »Eins wundert mich. Ihr gestattet doch, daß ich einmal meine persönliche Ansicht ausspreche?«
    Mit einer herablassenden Handbewegung fordert Gravelli den Gast zum Weitersprechen auf. Er ist belustigt über Benelli. Aus dem gefährlichen Gegenspieler ist plötzlich ein Biedermann geworden. Das haben die zehntausend Lire bewirkt. Vor Geld werden alle klein und zahm. Unzählige Male hat er das schon erlebt, nie aber so wie jetzt. Wirklich, die Sache läuft besser, viel besser, als er zu hoffen glaubte. Und um den anderen noch mehr einzuwickeln, fügt er schnell hinzu: »Unter Freunden ist das doch eine Selbstverständlichkeit.« Eine bloße Redewendung.
    »Also, ich wundere mich«, Benelli füllt den Kelch erneut mit dem köstlichen Wein, »daß Ihr Euer Leben nicht höher bewertet. Nur das Doppelte des vom Dey erhaltenen Betrags bietet Ihr dafür.« Benelli, als habe er die Worte nur so für sich hin gesprochen, hebt den Kelch gegen das Licht, dreht ihn spielerisch in der Hand, wie um den edlen Tropfen zu prüfen.
    Gravelli erbleicht. Er sieht, daß die Augen des Besuchers nicht auf den Wein, sondern wie zwei Dolche auf ihn gerichtet sind.
    »Ich – ich verstehe nicht«, stottert er.
    »Euer Wortschatz ist klein, Signore Gravelli. Habt Ihr ähnliches nicht schon einmal gesagt? Machen wir dem Spiel ein Ende!« Benelli setzt den Kelch schroff zurück.
    »Ihr werdet uns wieder so mit Nachrichten bedienen wie in der Vergangenheit. Geschieht es nicht, dann

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