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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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meiner Familie mich in der Stunde der Entscheidung verrät.«
    Der junge Mann beobachtet den Vater angestrengt. Er sieht das verbissene Gesicht. Furcht befällt ihn. Was wird geschehen?
    Da spricht der Alte wieder: »Du wirst morgen mit den Deinen Genua verlassen. Ich gebe dir ein kleines Vermögen mit. Nicht für dich ist es gedacht, sondern für meine Schwiegertochter und die Enkel, bis ihr Ernährer fähig geworden ist, sie vor dem Hungertod zu retten.
    Wage es nicht, dich hilfesuchend an die Eltern deiner Frau zu wenden! Ein Gravelli bettelt nicht, er kämpft ohne Rücksicht auf sich selbst oder die Meinung der Menschen. Mein Haus ist dir für immer verschlossen.
    Ich habe keinen Sohn mehr. Und hüte dich, Pietro Gravelli, jemals auch nur ein Wort von dem heute Gehörten über die Lippen zu bringen. Man würde dich finden, wo immer du dich auch zu verbergen trachtetest.«
    Gravelli ist aufgesprungen. Die Muskeln im Gesicht arbeiten. Man hört das Knirschen der Zähne. Plötzlich schwankt er, kann sich gerade noch an dem schweren Tisch festhalten, sonst wäre er darüber gestürzt.
    »Vater!« Pietro schnellt herbei und will dem Alten auf-helfen.
    »Rühr mich nicht an. Hinaus!«
    Pietro prallt zurück. Stöhnend läßt sich der Bankier in den Sessel zurücksinken.
    »Vater!« Noch einmal der Schrei.
    »Hinaus, hinaus!« brüllt Agostino Gravelli. Erneut beginnt Pietro: »Vater…!«
    In höchster Wut, bevor der Sohn ein weiteres Wort her-vorbringt, ergreift der Bankier die schwere silberne Weinkanne, um sie auf den Sohn zu schleudern. Der junge Mann packt den erhobenen Arm, entwindet der Hand die gefährliche Waffe und drückt den Schäumen-den mit großer Kraft in den Sessel.
    »Dann also ohne diese Anrede. Ich fürchte mich nicht vor dem Leben. Deinen Fluch und deine Drohung verla-che ich. Wir sind nicht auf dem Theater. Ich bleibe bei meinem Urteil über deine Geschäfte mit dem Dey und gehe keinen Schritt davon ab. Wohl, du bist reich und mächtig geworden, aber ein Gefangener, einer, der springen muß, wie man es ihm befiehlt.«
    »Was kümmert’s dich noch. Du wirst also deine Frau und deine Kinder von der Sonnenseite auf die Schatten-seite des Lebens führen?« Der alte Gravelli fragt es leichthin. Der Gegensatz zu seinen vorherigen harten Worten ist schneidend. Der Bankier ist gefürchtet wegen dieses Schillerns seiner Handlungen und Reden. Er ist ein großer Schauspieler.
    Pietro stutzt, erbleicht. Dann wirft er sich über den Tisch, vergräbt die Hände in die verschränkten Arme.
    »Vater, Vater!« stöhnt er gequält. »Vater, immer und ewig, auch wenn du die Bande zwischen uns als zer-schnitten betrachtest, nichts kann uns trennen.« Und nach einer Pause, während der Gravelli ungerührt, unbeteiligt dagesessen hat, fährt er, nun wieder fester sprechend, fort: »Du tatest unrecht. Ich kann nicht anders, muß es so nennen. Die Bildung, die du mir ermöglicht hast, läßt mich alles mit anderen Augen sehen. Ich konnte mich mit den großen Gedanken und Zielen, die die Menschheit bewegt haben, vertraut machen; ich habe vergangene und noch bestehende Kulturen studiert, habe Böses von Gutem unterscheiden gelernt. Menschen in die Sklaverei zu führen ist ein Verbrechen – und Verbrechen, die Hand dazu zu bieten. Das weiß ich. Aber ich bin nicht dein Richter, Vater, sondern dein Sohn, und kein Kind mehr, wenn du mich auch noch nie für voll genommen hast.«
    Ein spöttischer Blick Gravellis streift den Sohn. Wieder nur das Ticken der Uhr. Zermürbend, marternd. Ein junger Mensch kämpft. Wird hin und her geworfen zwischen Gut und Böse, findet nicht aus noch ein.
    Agostino Gravelli wartet. Er weiß, daß Pietro an einem Kreuzweg steht.
    Stumpf, müde, geschlagen entscheidet Pietro Gravelli:
    »Ich bin ein Gravelli wie du.«
    »Das heißt?« Überflüssig die Frage. Der Vater hat gesiegt.
    »Daß ich für meine Familie zu gleichem Tun bereit bin wie du. Wider besseres Wissen.« Und fiebernd, um jede Sinnesänderung unmöglich zu machen: »Was wollte der Fremde im einzelnen? Berichte, erzähle, Wort für Wort.
    Ich muß alles wissen. Nichts verschweige, nichts beschönige!«
    Der Bankier berichtet. Es gibt keine Geheimnisse mehr zwischen Vater und Sohn.
    »Und du glaubst, daß es dem Fremden ernst mit der Drohung ist?« fragt Pietro am Ende.
    »Unbedingt. Nichts wird mich vor der Rache dieser Menschen schützen können, wenn ich ihnen nicht will-fährig bin. Seit einiger Zeit habe ich den Vertrag lässig

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