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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Legere
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wird man Euch zu finden wissen, und wenn Ihr Euch in die Blei-kammern Venedigs flüchtet. Eure Geschäfte als Bankier kümmern uns nicht. Macht da, was Ihr wollt. Von dem Vertrag könnt Ihr Euch niemals lösen, auch wenn Ihr das Hundert- oder Tausendfache bötet. – Da, nehmt Euren Wechsel zurück. Das andere Papierchen laßt Ihr mir doch als Andenken an diesen so gemütlichen Abend. –
    Gute Nacht!«
    Gravelli erhebt sich ebenfalls. Für einen Augenblick war er zu Tode bestürzt über Benellis Blick, hat sich aber schnell wieder gefaßt. Er weiß, daß der Besucher kein Wort zuviel und keins zuwenig gesagt hat. Man wird die Drohung wahrmachen. Die Macht dazu besitzt der Dey, dem genug Helfershelfer, Männer ohne Furcht und Gewissen, zur Seite stehen. Während der andere noch die letzten Sätze sprach, hatte der Bankier bereits einen Plan entworfen, sich der Gefahr Zu entwinden.
    »Nein, nein, bemüht Euch nicht«, Benelli tritt lächelnd auf Gravelli zu und drückt ihn scheinbar ganz freundschaftlich, aber mit eisernen Muskeln in den Sessel zu-rück. »Ich finde mich allein in Eurem Hause zurecht.
    Der Schreck ist Euch in die Glieder gefahren. Wie leicht könnte es geschehen, daß Ihr auf der Treppe ins Stolpern kämt und mich mit Euch risset. Ich möchte nicht das Opfer eines Unglücks werden.«
    »Teufel, Teufel.« Gravelli stöhnt auf, als der gefährliche Besucher die Tür hinter sich geschlossen hat. Der Bankier ist ehrlich genug, anzuerkennen, daß er in Benelli einen ebenbürtigen Gegenspieler gefunden hat.
    Aber damit sind vorerst seine Gedanken auch mit dem Gesandten des Deys fertig. Sie kreisen nun um augenblicklich viel Wichtigeres: zehntausend Lire!
    »Zehntausend Lire! Zehntausend«, so murmelt er wieder und wieder. Daß sein Leben durch den Vertrag an den Dey gebunden ist, darüber jammert er nicht. Es geht darum, den Verlust wiedereinzubringen.
    Durch Eilkurier die Auszahlung sperren lassen? Un-möglich. Man liefe Gefahr, Benelli morgen erneut hier in diesem Raum gegenübersitzen zu müssen. »Ich hab mich wie ein Tölpel, wie ein grüner Junge benommen«, stellt er abschließend fest.
    Ein zaghaftes Klopfen an der Tür. Gravelli hört es wie aus weiter Ferne, aber er beachtet es nicht. Nach einer Weile tritt der Diener unaufgefordert ein.
    »Verzeiht, Herr, der Mann hatte mir verboten, ihn an-zumelden. Ich kann nichts dafür. Verzeiht.«
    Lange blickt der Bankier den verhutzelten Alten an, der sich unter den Blicken des Herrn duckt. Gravelli bemerkt es nicht. Gedanken schießen ihm wie Blitze durch den Kopf. Endlich befiehlt er: »Rufe meinen Sohn.«
    .Als wenig später Pietro Gravelli dem Vater gegenübersteht, erschrickt er über dessen finsteres Gesicht, aus dem die Backenknochen hart hervortreten.
    »Setz dich, Pietro – doch nein, gib erst Anweisung, daß wir unter keinen, hörst du, keinen Umständen gestört werden dürfen. Auch wenn der Fremde zurückkommen sollte: Ich bin nicht zu sprechen.«
    »Wir haben ernstlich miteinander zu reden, mein Sohn«, hebt er dann mit dumpfer Stimme an. »Wir sind reich, du weißt es. Unser Vermögen – nein, nicht allein der Reichtum –, mein Leben ist in Gefahr.«
    »Dein Leben, Vater? Du jagst mir Angst ein!«
    »Unterbrich mich nicht! Du mußt mithelfen, die Gefahr zu bannen.«
    »Zähle auf mich! Hängt es mit dem nächtlichen Besucher zusammen?«
    »Schweig und höre!« Gravelli macht eine Pause, streicht sich mit der Hand über die Stirn. Die Augen sind geschlossen, als er fortfährt: »Ich war nicht immer der große Bankier Gravelli, sondern einer von den vielen armen Händlern, die den Unterhalt mit allen möglichen kleinen Geschäften verdienen mußten. Eines Tages hatte ich ein Geschäft mit dem Mann, der uns eben verlassen hat. Es war ein schöner, verlockender Handel und versprach einen für meine damalige Lage ansehnlichen Gewinn. Es mißglückte. Ich habe lange nach den Gründen für das Scheitern gesucht, sie natürlich nicht gefunden; denn es war ein darauf angelegtes Spiel gewesen. Heute durchschaue ich derartige Sachen auf den ersten Blick.
    Kurzum: Man machte mich haftbar. Alles, was ich in jahrelanger mühseliger Arbeit zurückgelegt hatte – es war lächerlich wenig, dünkte mich aber ein Schatz –, wäre verloren gewesen, wenn… Aber das wollte man nicht. Was bedeuten solchen Menschen einige hundert zusammengekratzter Münzen? Nichts, denn sie verfügen über ganz andere Summen. Man schlug mir ein neues Geschäft vor. Ich sollte

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