Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
Vom Netzwerk:
im Wasser treiben und wartete auf Sam. Er war schon ziemlich lange fort. George vermutete, dass er die Zeit vergessen hatte, in dem Rausch, endlich wieder im freien Meer zu schwimmen. Es würde interessant werden zu beobachten, wie Sams Verhalten sich nach der langen Abstinenz änderte. Ob er freiwillig mit zurück kam? Ob er wehmütig wurde? George hielt sich jedenfalls die Option offen, Sam über Nacht im Meer zu lassen, wenn er sich das wünschte. Das war zwar unwahrscheinlich, denn Sam wich nicht freiwillig von Georges Seite, aber er würde es ihm auf jeden Fall anbieten.
    Sam drehte sich auf den Rücken und schwamm rückwärts. Das tat er manchmal, wenn er sich wohlfühlte. Über sich sah er die helle Wasseroberfläche, hinter der eine ganz fremde Welt wartete. Fremd und manchmal auch laut und erschreckend. Im Wasser klangen die Geräusche leiser und weniger scharf in seinen Ohren. Immer mehr Erinnerungen an sein früheres Leben strömten auf ihn ein. Ruhe, Tiefe, sanftes, unendliches Blau, das niemals aufhörte. Das Wasser glitt weich und kühl über seinen Körper, schmiegte sich um ihn wie eine streichelnde Hand. Sam schloss die Augen und fühlte, wie alte Denkweisen und Instinkte mit Macht in sein Bewusstsein zurückkehrten. Es war schön und richtig, das spürte er. So, wie es sein sollte. Er drehte sich wieder um und schwamm vorwärts weiter. Mehrmals beschleunigte er auf Maximalgeschwindigkeit und ließ sich dann ausgleiten. Er liebte das. Ein wildes, rauschendes Gefühl durchströmte ihn. Wieder schoss er vorwärts und in einen Schwarm silberner kleiner Fische hinein, sodass sie panikartig auseinander stoben. Dann drehte er sich wieder auf den Rücken und ... sah eine Silhouette über sich. Ein langsam dahin schwimmender Mensch. Die trägen Bewegungen provozierten Sam auf eine ihm bereits bekannte Art. Die Unbeholfenheit, die Langsamkeit ... er sirrte. Solche Wesen drangen in seinen Lebensraum ein. In sein Revier. Das rauschende Gefühl wurde stärker. Er begann, unter dem Schwimmer Kreise zu ziehen.       
    George sah Sam in der Tiefe kreisen. Die Bewegungen erinnerten ihn an einen Hai. Ruckartig und schnell. George drehte sich um und schwamm zu seinem Boot zurück, so schnell er konnte.
    Der Schwimmer flüchtete. Sam änderte den Kurs und schoss zur Oberfläche. Es war kein Problem für ihn, den Schwimmer einzuholen.
    George kraulte zügig auf das kleine Boot zu. Er vermutete einen starken Instinktflashback bei Sam. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass er sich nicht selbst überschätzt hatte.
    Noch wenige Meter bis zum Boot. Er tauchte mit dem Kopf unter und sah Sam unglaublich schnell auf sich zu kommen. George wedelte wild mit den Armen, um ihn abzuwehren. Sam drehte einen Meter vor ihm ab und schoss aus dem Wasser. Sein silbriger Körper schien eine Sekunde im Sonnenlicht zu schweben. Ein Tropfenregen ging auf George nieder, als Sam auf die Wasseroberfläche aufschlug. Er verschwand für ein paar Sekunden, dann tauchte er direkt vor George wieder auf. George sah ihm ins Gesicht und er sah den Schock in Sams Augen.
    Sam stieß einen hellen, beinahe unerträglichen Ton aus und begann dann aufgeregt zu sirren.
    George wusste sofort, was in ihm vorging.
    „Ruhig, Sam“, sagte George. „Es ist gut. Ich bin nicht böse auf dich. Ich habe mit so etwas gerechnet. Beruhige dich.“ George streckte die Hand nach ihm aus und fasste ihn am Arm.
    Sam bebte am ganzen Leib. George glitt hinüber zum Boot und hielt sich mit einer Hand daran fest. Er zog Sam hinter sich her und an sich heran. Er redete beruhigend auf ihn ein.
    Sam sirrte unentwegt und stieß noch zweimal diesen hellen Laut aus, der George ordentlich in den Ohren wehtat.
    „Sam, ich verstehe dich nicht“, sagte George. „Sprich in meiner Sprache zu mir.“
    „Tut ... mir leid“, brachte Sam mühsam hervor.
    „Ich weiß“, sagte George. „Du musst erst mal zu dir kommen. Wir reden dann später in Ruhe darüber.“
     
    George saß wieder in seinem Boot. Sam hielt sich am Bootsrand fest und sah zu ihm hinauf.
    „Hast du mich in letzter Sekunde noch erkannt?“, fragte George ihn. Sam nickte.
    „Das Schlimmste war für mich, dass ich gar nicht mehr daran gedacht habe, dass du da bist.“
    Er schluckte schwer.
    „Schon gut. Dafür machen wir ja diese Übungen. Du wirst lernen, damit umzugehen“, sagte George.
    „Aber so ... war es noch nie! Ich hab es so noch nie gefühlt“, sagte Sam.
    „Das liegt wahrscheinlich daran, dass du

Weitere Kostenlose Bücher