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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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möglich. Ich hatte das nur zurückgestellt, weil Sam kein Fan von Untersuchungen ist. Er hat einfach zu viele schlechte Erfahrungen hinter sich. Ich wollte ihm mehr Zeit geben. Aber was es mit diesem Geräusch auf sich hat, das muss ich wissen. Jerry soll einen Blick auf seine Stimmbänder werfen.“
     
     

     
     
    Zwei Tage später fuhr George mit Sam bei Jerry vorbei. Um Sam nicht zu ängstigen, hatte George seine Pläne vor ihm geheim gehalten und ihm erzählt, er dürfe bei Jerry die Gläser spülen. Jerry war selbstredend eingeweiht. Er begrüßte Sam mit den Worten: „Da ist ja meine Haushaltsfee! Meine Küche wartet schon sehnsüchtig auf den Schaumhersteller. Bitte einzutreten.“
    Sam und George betraten die Wohnung und Jerry zeigte Sam seine Küche, in der sich der Junge sofort mit Feuereifer ans Werk machte. Als er fertig war, lobte ihn Jerry und schenkte ihm zum Dank eine neue, ganz volle Spülmittelflasche. Dann bat er Sam, einen Moment auf einem Stuhl Platz zu nehmen. George und er waren sich einig, dass sie Sam nicht mit in Jerrys Praxis nehmen würden, in der die Geräte von Abernathy herumstanden und Sam an seine Entführung erinnerten.
    „Darf ich mir mal deine Kiemen ansehen?“, fragte Jerry freundlich.
    „Wieso?“, fragte Sam. Er wurde bereits nervös.
    „Weil ich dein Arzt bin. Und wenn du mal krank wirst, kommst du zu mir und ich helfe dir. Da muss ich vorher über dich Bescheid wissen. Wie soll ich dir sonst helfen? Ich möchte nur einmal in deinen Mund sehen.“
    „Nein“, sagte Sam. „Ich glaube, ich möchte das nicht.“
    „Warum denn nicht?“, fragte George. „Du kennst Jerry doch.“
    „Nein!“, rief Sam heftig. Er stand auf und wollte hinaus laufen.
    George fing ihn an der Tür ab. Jerry warf George einen Blick über den Rand seiner Brille zu.
    Sam wehrte sich heftig gegen Georges Griff, was für ihn sehr ungewöhnlich war. Er schaffte es, sich loszureißen. Dann lief er davon, riss die nächstbeste Tür auf und flüchtete in den Raum, der dahinter lag.
    George und Jerry waren ihm dicht auf den Fersen. Sams Flucht endete in Jerrys Wohnzimmer, wo er sich in eine Ecke kauerte. Die beiden Männer näherten sich ihm behutsam.
    „Sam“, sagte George. „Ich verstehe deine Reaktion überhaupt nicht. Du weißt doch, dass wir beide dich sehr mögen und dir nichts tun. Warum hast du solche Angst?“
    Sam schüttelte nur den Kopf und verbarg sein Gesicht in den Armen. George ging vor ihm in die Hocke. Er strich ihm über den Kopf.
    „Ich möchte, dass du Jerry einmal in deinen Mund schauen lässt. Es wird ganz schnell gehen“, versprach George.
    Sam schüttelte den Kopf. George runzelte die Stirn. Sam widersetzte sich sonst niemals seinen Anweisungen. George stand auf und gab Jerry einen Wink. Gemeinsam verließen sie das Wohnzimmer.
    „Was hat das jetzt wieder zu bedeuten?“, fragte Jerry, als sie im Flur standen. „Bin ich wirklich so angsteinflößend?“
    „Da steckt mehr dahinter“, sagte George. „Ich muss wissen, was es ist.“
    „Wenn du streng genug mit ihm redest, wird er sich vielleicht fügen“, sagte Jerry. „Ich kann ihn auch leicht sedieren, wenn du das für besser hältst.“
    „Ich weiß nicht. Beides könnte sich negativ auf sein Vertrauen zu mir auswirken.“ George seufzte. „Wenn ich nur wüsste, was er hat.“
     
     
    Sam saß in der Wohnzimmerecke und wartete voller Angst auf Georges Rückkehr. Wenn George ihn zwang, Jerry in seinen Mund sehen zu lassen, würde Jerry es mit hoher Wahrscheinlichkeit entdecken. Sam selbst war es direkt nach dem Schwimmen mit George aufgefallen. Im Bad der Cunnings hatte er im Spiegel nachgesehen. Es war da und würde wachsen. Wenn George herausfand, was mit ihm los war, würde er Sam verstoßen.
    Sam stellte sich vor, wie George enttäuscht auf ihn hinab sehen würde. Er würde langsam den Kopf schütteln und sagen: „Wie konnte ich mich nur so in dir täuschen, Sam. Du bist nicht geeignet, um mit meiner Familie zu leben. Ich bringe dich jetzt zurück zum Strand. Ich will dich nie wieder sehen. Ein Wesen wie du verdient es nicht, hier zu sein.“
    Sam liefen die Tränen über das Gesicht. Allein die Vorstellung, dass George so etwas sagen könnte, kam ihm wie ein Todesurteil vor. Die einzige Chance war, dass er es so lange wie möglich geheim hielt.
    Sam fuhr zusammen, als die Klinke heruntergedrückt wurde. George kam mit Jerry in das Zimmer zurück. Sie kamen näher und sahen auf ihn herab. Vielleicht

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