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Unter Menschen

Unter Menschen

Titel: Unter Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Bedarf nach Zuwendung niemals decken. Er muss lernen, unabhängiger zu sein.“ Jerry nahm einen Schluck Wein aus seinem Glas.
     „Ich gebe dir recht. So kann es nicht weitergehen. Wir werden eine Menge Kraft und Geduld brauchen. Außerdem denke ich darüber nach, Jack wegen ihm anzusprechen. Ich glaube, ich möchte da was in die Wege leiten.“
    Jerry beugte sich vor. „Ist das dein Ernst? Hast du dir das gut überlegt? Was sagt Vivian dazu?“
    „Sie steht hinter mir. Und zwar sowohl für das eine als auch für das andere“, sagte George.
    „Jetzt bin ich platt“, sagte Jerry. „Wow. Eins muss man dir lassen. Du ziehst es voll durch.“
    Er gähnte.
    „Übernachte doch im Gästezimmer“, sagte George.
    „Auf jeden Fall. Hab ja auch grad was getrunken.“ Jerry stellte sein Glas auf den Wohnzimmertisch.
    „Danke, dass du mir hilfst“, sagte George. „Bist ein echter Freund.“
    „Kein Ding. Ist ja auch für mich interessant. Dieses Hin und Herschalten zwischen seinen Atemtechniken, hast du ne Idee, wie ich ihn bestechen könnte, dass ich mir das noch mal ansehen kann?“
    „Waschmittel, Spülmittel, Seifenstücke und Geräte mit Ton und Knöpfchen ziehen immer.“
     
     

     
     
    Als Sam am nächsten Tag erwachte, saß George neben seinem Schlafbecken. Sam tauchte auf und sah ihn etwas schüchtern an. George lächelte und Sam lächelte erleichtert zurück.
    „Geht es dir wieder gut?“, fragte George.
    „Ja, sehr gut“, sagte Sam. „Tut mir leid, dass ich dir nicht gehorcht habe. Es kommt nicht wieder vor.“
    „Das macht nichts, Sam. Ich kann deine Ängste verstehen, aber es ist wichtig, dass du jetzt daraus lernst. Ich werde dich niemals verstoßen und du wirst das nie wieder denken. Ab jetzt vertraust du mir und erzählst mir alles. Versprochen?“
    „Ja. Ab jetzt“, sagte Sam. „Du hast gesagt, du hast mich sehr, sehr gern. Ist das so? Hast du mich so gern ... wie Laine zum Beispiel?“
    Er sah George erwartungsvoll an, wobei sein Herz so laut schlug, dass er sicher war, George müsste es hören.
    „Ja, so ist es.“ George strich Sam übers Haar. Sam errötete vor Glück. Das Gefühl in seiner Brust schien zu explodieren. Das Risiko hatte sich gelohnt.
    „Atmen nicht vergessen“, sagte George.
    Sam atmete einmal durch.
    „Dann könnte man sagen, du liebst mich auch ein wenig.“
    „Ja, das könnte man sagen.“
    Sam zitterte innerlich. Lieben war noch mehr als gern haben oder mögen. Er hatte es geschafft! Die Anstrengungen und der Verzicht hatten sich gelohnt. Aber wenn George ihn so sehr mochte ...
      Darf ich dann dein Sohn sein? Sam wagte nicht, das zu fragen, weil ein Nein von George nicht zu ertragen wäre. Mit der Frage nach Georges Gefühlen hatte er sich schon ziemlich weit vorgetastet, und es war gut ausgegangen. George liebte ihn – fast so wie Laine – und das war mehr, als Sam sich je erträumt hatte. Er wollte sein neues Glück nicht herausfordern. Andererseits sollte er ab jetzt George alles sagen ...
    George wuschelte ihm noch mal die Haare, dann stand er auf.
    „Kommst du nachher zum Frühstück? Jerry ist leider schon weg“, sagte er.
    Sam nickte, stumm vor Freude.
    Später lag er in seinem Becken, bildete Beine aus und dachte nach. Es war eine schwierige Sache.
    Ab jetzt vertraust du mir und erzählst mir alles.
    Eigentlich musste er George sagen, dass er gerne sein Sohn sein wollte. So war die neue Regel. In seinen Tagträumen war George sein richtiger Vater und lachte und redete mit ihm. Das konnte er sich stundenlang vorstellen. Aber wie sollte er das umsetzen? Sein Gefühl sagte ihm, dass er nicht einfach fragen konnte. Das war zu viel verlangt. Aber es gab unter Umständen einen anderen Weg. Ein Ritual, das die Menschen anerkannten.
    Sam dachte daran, wie Laine sich für ihr Praktikum beworben hatte. Sie hatte eine Bewerbung verfasst und war dann angenommen worden. Das hatte sie ihm erzählt. Menschen bewarben sich um einen Posten und andere entschieden, ob sie ihn bekamen. Sam fand das merkwürdig, aber es war auch eine gute Idee.
    Als die Verwandlung vollendet war, ruhte Sam sich noch eine Weile aus, aber kürzer als sonst. Er hatte noch etwas vor.
     
     
    Die Familie saß bereits am Frühstückstisch, als Sam hereinkam. Er grüßte alle und setzte sich auf seinen Platz.
    „Alles klar?“, fragte George. Sam nickte, aber sein Kopf leuchtete feuerrot vor Aufregung.
    Stumm überreichte er George einen Zettel, den er akkurat gefaltet hatte.
    George

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