Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Realität sein. Karl Novak, der neben ihr steht, lächelt verhaltener. Ich sehe genauer hin. Ich kenne noch jemanden aus dem Team. Ich kann mich an die Frisur erinnern. Ist offenbar sein Markenzeichen. Oder verwechsle ich ihn gerade wegen der auffälligen Haare? Es wird noch mehrere geben, die dieses Sechzigerjahre-Styling haben. Ich vergrößere das Foto. Nein, es ist kein Irrtum möglich: Einer der Mitarbeiter beim „Plan für Wien“ war auch schon Kellner – zumindest beim Galadinner der Internationalen Energiegespräche in Tirol, bei dem Gruber etwas aus der Rolle gefallen ist. Ich habe Tina Bogner von dem YouTube-Video erzählt. Sie hat so getan, als würde sie es nicht kennen. Ich habe überlegt, ihr das File zu schicken, aber dann war das Wichtigste ohnehin im „Magazin“ zu lesen. Ein Foto des angeblichen Kellners haben wir freilich nicht gebracht.
Es sieht ganz danach aus, als hätte da einer von „PRO!“ angeheuert, um Zugang zu dem vertraulichen Galadinner zu haben. Und um das, was hinter verschlossenen Türen vorgeht, zu filmen. Dummerweise kann man über unsere eher einfachen Wertkartentelefone keine Bilder verschicken. Oder ich weiß bloß nicht, wie es geht. So schreibe ich Fran eine weitere SMS und erkläre ihm, dass der Kellner auf dem You-Tube-Video von unseren Ökofreunden hingeschickt worden sein dürfte. – Ist auch das Teil von Tina Bogners großer Kampagne? Warum wurde das Video dann auf YouTube gelöscht? Das ist eigentlich klar: Als die Anschläge begannen, als „Cybersolar“ aufgetreten ist und sich die öffentliche Meinung gegen „Umweltterroristen“ gewendet hat, bekam man es mit der Angst zu tun, dass jemand hinter diese nicht ganz legale Aktion kommt.
Fran antwortet nicht. Vesna ist in einer Besprechung und flüstert nur rasch ins Telefon, dass sie sich später melden werde. Die von „PRO!“ scheinen weiter gegangen zu sein, als man mir weismachen wollte. Bei einem Galadinner für geladene Gäste geheim zu filmen und das zu veröffentlichen, verstößt zumindest gegen Persönlichkeitsrechte. – Oder sind es bloß Einzelne im Umfeld von „PRO!“, die bereit sind, derartige Grenzen zu überscheiten? Es gibt tausend Gründe dafür, warum sich Fran nicht meldet. Seit der Sache mit Oskar reagiere ich einfach hysterisch. Was aber, wenn er doch in Gefahr ist? Ich sollte … Das Wertkartentelefon läutet. Unangenehm schnarrender Klingelton.
„Ich hab erst einen Ort suchen müssen, an dem ich ungestört bin“, sagt Fran.
„Bist du etwa am Klo?“, frage ich einigermaßen erleichtert und amüsiert.
„Da kann man doch besonders einfach mithören. Nein, ich bin hinten bei den Hackschnitzeln. Der Kellner ist einer von ‚PRO!‘? Ich hab hier noch keinen gesehen, der so ausschaut. Und ein Verletzter ist mir auch nicht begegnet. Würde sich wohl doch nicht hierher flüchten. Ich höre mich um. Ich hab etwas anderes: Irgendwas war los mit der Videoüberwachung im Biomasseheizwerk. Ein paar Gesellschafter wollten wissen, was sich in der ‚PRO!‘-Zentrale in der letzten Zeit alles getan hat. Solche Überprüfungen sind angeblich Routine. Ich glaube allerdings, dass sie sich über das ärgern, was die Zeitungen schreiben. Sie wollen umweltgerechte Energie verkaufen und ansonsten ihre Ruhe haben. Auf alle Fälle sind Aufzeichnungen der Überwachungskamera verschwunden. Ich bin gerade dabei, die Homepage von ‚PRO!‘ auf den neuesten Stand zu bringen und ein paar nette Zusatzfeatures zu installieren. Deswegen hab ich das mitgekriegt.“
„Meinst du, dass du die verschwundenen Aufzeichnungen noch irgendwo in ihrem Computersystem findest?“, frage ich.
„Das hat mich einer der Gesellschafter auch schon gefragt. Nein, da gibt es keine Chance. Es ist ein eigenes System und wenn die Videos gelöscht werden, dann sind sie wirklich weg. Hat mit Datenschutz zu tun.“
„Tina Bogner kann ich schwer danach fragen …“, überlege ich.
„Würde ich auch nicht. Ich würde es bei Karl Novak versuchen. Der schleicht herum, als würde die nächste Sprengladung auf seinem Rücken explodieren. – In Simmering haben sie wirklich bloß eine Hinweistafel in die Luft gejagt? Ich habe es gerade gelesen.“
„Ja. Aber das Gelände ist auch ziemlich gut bewacht. Ist Novak da?“
„Ich habe ihn vor zehn Minuten gesehen.“
„Ich komme.“
„Wenn wir uns begegnen, dann sag, ich bin der Sohn einer Freundin von dir. Besser, als wenn wir alles zu kompliziert machen.“
Mein Auto steht
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