Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
‚AE‘ angeht, so sind sie bei uns immer noch der Platzhirsch. – Außer ‚Pure Energy‘ hat es hinter den Kulissen längst geschafft, die Entscheidungsträger auf seine Seite zu ziehen. Jedenfalls aber haben sie über die aufgekauften Kredite Einfluss auf ‚AE‘ und die anderen Firmen. – Falls die Gerüchte an der Börse stimmen.“
Wir sollten Oskar auch ein Wertkartenhandy besorgen. Wenn Christoph nicht untertrieben hat, dann stehe ich unter Beobachtung. Wie weit die geht? Keine Ahnung. Aber von all dem werde ich ihm erst heute am Abend erzählen.
In der Zentrale von „PRO!“ suche ich Karl Novak. Er sei gerade zu einer Inspektionsrunde aufgebrochen, erzählt mir eine freundliche junge Mitarbeiterin im Sonnen-T-Shirt. Ob Fran hier irgendwo ist, kann ich sie schlecht fragen. Gesehen habe ich ihn nicht.
„Kann ich Herrn Novak auf seiner Runde finden?“
„Ja, klar. Er wird noch im Windpark 1 sein. Sie haben schon wieder auf ein Windrad geschossen. Er will nachsehen, was passiert ist.“
„Wer schießt auf Windräder? Die Windkraftgegner?“
Die Mitarbeiterin sieht mich zweifelnd an. „Glauben wir eigentlich nicht, aber wer weiß. Vielleicht ist es nicht mehr als ein dummer Streich irgendwelcher pubertierender Idioten.“
„Irgendwelcher bewaffneter Pubertierender.“
„Waffen gibt’s bei uns in der Gegend genug. Jagdgewehre, aber auch alte Pistolen, noch aus dem Zweiten Weltkrieg.“
„Ist die Polizei dort?“ Das könnte ich momentan nicht so gut brauchen, nach all dem, was mir Christoph erzählt hat.
Die Mitarbeiterin schüttelt den Kopf. „Sie waren letzte Woche da, aber da ist auch einiges durch die Schüsse zerstört worden. Diesmal scheint es nicht so schlimm zu sein. Melden werden wir den Zwischenfall natürlich trotzdem. Herr Novak will sich die Sache zuerst einmal vor Ort anschauen.“
Die junge Frau im Sonnen-Shirt erklärt mir, wie ich zum Windpark 1 komme. Er sei höchstens eine Viertelstunde von uns entfernt, und dort stehe auch ihr allererstes Windrad. „Es stammt bereits aus dem Jahr 1996. In diesem Jahr bin ich gerade erst in die Schule gekommen. Man hat es liebevoll ‚Drahdiwaberl‘ genannt. Es arbeitet immer noch einwandfrei.“
1996 sind die ersten Elektroautos durch Kalifornien gefahren, überlege ich. Ich sollte Tina Bogner fragen, ob die PowerPoint-Präsentation samt Schneeball-Aufruf ihre Idee war. Und ob sie mehr über dieses Thema weiß. Nein. Momentan ist es wichtiger, mit dem Geschäftsführer zu reden. Die Mitarbeiterin bringt mich noch bis zur Tür, zeigt mir die Richtung, die ich nehmen muss.
Ich sehe die Windräder schon von weitem. Kann sein, dass gerade das einigen nicht gefällt, mich stört es nicht und heute ist es mehr als praktisch. Ich fahre eine schmale asphaltierte Straße entlang. Dort ist Novaks kleines weißes Elektroauto. Wenn es stimmt, dass er damals, als in Sonnendorf gefeiert wurde, durch eine falsche Meldung in die Richtung der Gaspipeline gelotst worden ist: Wer hat die Leitung gestört? Wenn wir das wüssten, wäre auch klar, wer für den ersten Anschlag verantwortlich war. – Und wenn in Wirklichkeit niemand die Leitung gestört hat? Ich parke neben Novaks Wagen mit der Sonne auf der Kühlerhaube.
Novak steht mit einer Kamera vor dem Windrad. Er dreht sich zu mir um, winkt. Ich komme näher und sehe im Metall der mächtigen Säule einige Dellen. Gut möglich, dass es sich um Einschussstellen handelt.
„Wer macht so etwas?“, frage ich. Ich werde es fotografieren. Warum soll nur das als gefährliche Drohung gelten, was gegen konventionelle Energieerzeuger gerichtet ist?
Novak lächelt traurig. „Meine Güte, wenn das mein einziges Problem wäre … So etwas gibt es eben. Letzte Woche war die Kriminalpolizei da. Da ging es um einen anderen Mast. Sie haben ihn einfach als Ziel verwendet. Und dabei sogar den Förderkorb beschädigt. In der Tür gab es Durchschüsse. Ein ganz schöner Schaden. Bei dem Mast da haben sie keine Durchschüsse geschafft. Wahrscheinlich haben sie von noch weiter weg geschossen.“
„Gibt’s Hinweise auf die Täter?“
Novak schüttelt langsam den Kopf. „Die Polizei hat anhand der Einschusswinkel und der Stärke der Einschüsse feststellen können, woher die Schüsse abgefeuert wurden. Man hat in über sechzig Meter Entfernung wirklich Patronenhülsen gefunden. Aber das Kaliber ist ein gängiges. Es könnte eine gute Jagdwaffe gewesen sein. Und von denen gibt es mehr als genug hier. Ganz legal.
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