Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
in einer Seitenstraße nahe der „Magazin“-Redaktion. Ich hätte ohnehin bald hinuntergehen und einen neuen Parkschein einlegen müssen. Nicht ganz legal, diese Parkzeitverlängerung, aber in Wien geduldet. Solange gezahlt wird … Ich gehe zu meinem Wagen, hinter der Windschutzscheibe einer der unnötigen Reklamezettel. Oder etwa doch ein Strafmandat? Nein, dafür ist der Zettel zu groß. Ich will ihn schon ungelesen wegwerfen, entsinne mich meiner umweltmäßigen Weiterentwicklung und stopfe ihn in die Tasche. Seltsam, keine knalligen Farben, keine dick geschriebenen Botschaften, nur ein bisschen Schreibschrift. Gar keine dumme Idee, Werbung einmal ganz anders. Ich nehme den Zettel heraus und will jetzt wissen, worum es geht.
„Espresso Uschi, Pratergasse 7, bitte so schnell wie möglich. Ch. (Kopiaste)“
Eine Werbung fürs Espresso Uschi? So schräg sind die dort sicher nicht drauf. Ich muss die Botschaft noch einmal lesen, um sie zu verstehen. Generalleutnant Christoph Unterberger bittet mich offenbar, möglichst rasch ins Espresso Uschi zu kommen. – Und wenn es eine Falle ist? Oder wenn ich mir etwas Falsches zusammenreime? Ich werde es merken. Ich muss in dieses Espresso. Ich schicke Vesna eine SMS mit der Adresse, nur damit sie weiß, wo ich hingegangen bin.
Das Lokal ist nur drei Minuten von hier entfernt. Eines der winzigen Cafés, die aus den Siebzigerjahren übrig geblieben sind. Plastik und Plüsch, in die Jahre gekommen. Wenig Licht, aber so fällt auch der Mief weniger auf. Zwei Frauen, die wirken, als würden sie seit der Eröffnung hier sitzen, sehen mich neugierig an. Die Theke ist in einem undefinierbaren Rot gehalten – war es immer schon so etwas wie Weinrot oder ist es erst durch die Patina dazu geworden? –, dahinter eine Frau mit toupierten blonden Haaren, die ihr Ablaufdatum als jugendliche Blondine schon um viele Jahre überschritten hat. Leere Tische, leere Barhocker. Ich grüße und gehe langsam weiter. Sie wird glauben, ich bin eine von denen, die reinkommen und bloß auf die Toilette gehen wollen. „Einen Espresso bitte“, sage ich. Was sonst sollte ich hier bestellen? Am letzten Tisch, abgeschirmt durch einen verstaubten Plastikgummibaum, Christoph Unterberger. Ich habe die Botschaft richtig gedeutet. – Oder habe ich trotzdem Wesentliches übersehen?
„Sie können ihn gleich mitnehmen!“, ruft die Frau von der Theke.
Ich drehe mich um und sage verwirrt: „Wen?“
„Na den Kaffee.“ Sie streckt mir eine kleine Tasse entgegen.
Ich halte den Espresso in der Hand. Die offizielle Zentrale von „Pure Energy“ ist in Zypern. Der Generalleutnant fährt immer wieder nach Zypern. Der Energiekonzern soll sich Menschen an Schaltstellen gekauft haben. So ein Unsinn. Doch nicht den zweithöchsten Militär. Und schon gar nicht Christoph. Und wenn, zu welchem Zweck? Ich gehe zu ihm, diesmal steht er nicht auf. Ich setze mich und sage etwas ruppig: „Was soll das?“
Christoph spricht leise. „Seit diese Internet-Sache angefangen hat, werden sie immer neurotischer. Sie sind draufgekommen, dass wir einige Male Kontakt hatten. Ich habe es auch sofort bestätigt, es ist nicht geheim. Du hast ja sogar darüber geschrieben.“
„Und wer sind ‚sie‘?“
„Kann ich dir nicht im Detail sagen, nennen wir sie die erweiterte Sonderkommission.“
„Und dir wurde nahegelegt, nicht mehr mit mir zu reden, weil ihnen nicht passt, was ich schreibe.“
„Nein, das nicht. Aber: Sie wissen, dass du die beste Freundin der Mutter eines der Verdächtigen bist. Du bist angeblich sogar bei einer Hausdurchsuchung dabei gewesen. Als Vertrauensperson. Man hat mir klargemacht, dass Querverbindungen des Militärs zu den Cyberterroristen eine Katastrophe wären.“
„Das ist aber schon sehr quer. – Wer kann dir etwas verbieten? Sehr viele Vorgesetzte hast du ja nicht.“
„Egal. Es gibt welche. Und es gibt Stabsstellen, die sich seit Wochen intensiv mit den Aktivitäten von ‚Cybersolar‘ und deren Kontakten beschäftigen. Ich habe davon nur am Rande gewusst. Ich wollte, dass du gewarnt bist. – Und dass du dich nicht wunderst, wenn ich seltener von mir hören lasse.“
„Und warum sagst du denen nicht einfach, dass es Schwachsinn ist, was sie sich da zusammenreimen? Dass ich natürlich nichts mit ‚Cybersolar‘ zu tun habe?“ Ich hätte ihn nicht für so feige gehalten.
„Das habe ich versucht.“
Ich will schon aufstehen und ihm viel Glück wünschen, da fällt mir etwas ein.
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