Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
werden.“
Kann schon sein. Kann aber auch sein, dass die Firmensprecherin andere Gründe hatte. „Gibt es die Aufzeichnungen noch?“
„Ja. Ich habe immer wieder überlegt, was da los gewesen sein könnte. Ich habe sie auf einen USB-Stick gespielt. – Tina wird sehr wütend sein, wenn sie davon erfährt. Ich hoffe, Sie machen daraus keine Story, die uns schadet.“
„Das habe ich nicht vor. Aber darum geht es jetzt nicht. Ist Ihnen eigentlich klar, dass ein Mensch verschwunden ist? Und zwar offenbar genau zu der Zeit, als bei Ihnen der große Sack abgeladen wurde? Sie müssen zur Polizei gehen.“ Ich denke an Kammerer und wie er vor dem Kraftwerk in Simmering agiert hat. „Warten Sie damit allerdings lieber, bis Zuckerbrot zurück ist. Ich hoffe, er übernimmt die Sonderkommission Energie dann wieder. Er ist fair. Wenn es irgendwie geht, schreibe ich erst darüber, nachdem Sie bei ihm waren.“
Novak nickt und sieht nahezu erleichtert aus. „Ich habe auch schon daran gedacht, dass da … ein Mensch drin sein könnte. Aber ich habe das als absurd aus meinem Kopf verbannt. Illegaler Abfall ist viel wahrscheinlicher. Und es ist die Frage, ob man das je feststellen wird können.“
„Sie haben von Kontrollen gesprochen. Kann man die Zusammensetzung der Asche überprüfen?“
Novak seufzt. „Könnte man. Aber die Asche ist letzte Woche abtransportiert worden. Routinemäßig. Einige Bauern verwenden sie als Dünger.“
„Sie klären, ob alle Asche schon ausgestreut worden ist. Und Sie geben mir bitte den Stick. Vielleicht kenne ich jemanden, der das Maximum aus der Aufnahme rausholen kann. Er ist absolut vertrauenswürdig.“
Ich habe es nicht geglaubt, doch er nickt.
„Ich wollte niemand mit reinziehen“, sagt Novak, als wir zu unseren Autos gehen. Schwarze Wolken vor dunklem Himmel. Es wird Abend. Nur die Windräder drehen sich unbeirrt weiter.
„Und was ist, wenn Tina Bogner Sie mit reingezogen hat?“
[ 13. ]
Es kann niemand davon wissen, trotzdem habe ich mich, als ich heimgefahren bin, immer wieder umgesehen. Was, wenn einer wegen dieses kleinen USB-Sticks hinter mir her ist? Auf Windräder ist geschossen worden.
Jetzt steckt der Stick in meinem Laptop. Ich starte den Wechseldatenträger. Es sind tatsächlich die Aufnahmen der Überwachungskamera. Offenbar werden die Aufzeichnungen der vier Kameras gleichzeitig verarbeitet, alles in Schwarz-Weiß. Das Bild auf dem Laptop besteht aus vier Teilen: In einem Viertel sieht man die Schatten der Hackschnitzelberge unter dem geschwungenen Flugdach, dahinter die dunkle Waldwand. Im anderen sieht man den verlassenen Parkplatz und ein Stück Straße als helles Band. Eine weitere Kamera liefert Bilder der Tür zu „PRO!“. Kein Licht hinter dem gläsernen Eingang. Im vierten Viertel sieht man die Förderanlage. Hackschnitzel, die sich langsam bewegen, bis sie in einem Durchlass verschwinden. Dahinter ist der Ofen, der mit über achthundert Grad alles verbrennt. Ich schaue zehn Minuten zu, die Hackschnitzel rucken weiter, zwei Autos fahren vorbei, ein weißes mittelgroßes und ein dunkles kleines. Eine Katze geht über den Parkplatz. Es könnte auch ein Marder sein. Die Nacht war wirklich besonders finster. Hat mir Novak, um mich loszuwerden, einen Stick mit harmlosem Material gegeben? Sind er und Tina Bogner längst auf der Flucht? Unsinn, er hätte mir die Geschichte nicht zu erzählen brauchen. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass er gleich zur Polizei geht. Schon zu seinem eigenen Schutz. Wie wird Tina Bogner reagieren, wenn sie erfährt, was ich weiß? Wird er ihr von unserem Gespräch erzählen?
Es läutet und ich nehme den Hörer der Gegensprechanlage. Das kann nur Fran sein. Ich habe ihn gebeten, herzukommen. Vielleicht hat er eine Idee, wie man die Qualität der Videobilder verbessern kann. – Vorausgesetzt, es gibt überhaupt etwas Bemerkenswertes zu sehen.
Fran ist nicht allein, er hat Vesna mitgebracht. „Du glaubst, das interessiert mich nicht?“, fragt sie in der Eingangstür.
„Ich werde immer vorsichtiger beim Telefonieren“, murmle ich. „Wahrscheinlich spinne ich schon. Ich melde mich selbst über das Wertkartenhandy nur, wenn es unbedingt sein muss.“
Ich habe ganz vergessen, die Aufzeichnung der Überwachungskameras zu stoppen. Ich gehe ohne weitere Erklärung zum Laptop. Hackschnitzelberge: noch immer gleich. Parkplatz: noch immer verlassen. Eingangstür: noch immer zu, dahinter finster. Vor der Förderanlage
Weitere Kostenlose Bücher