Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
beruhigt. – Ich fahre gleich jetzt noch aufs Institut. Ich hab einen Schlüssel, wir arbeiten immer wieder auch am Abend.“
„Ich rufe Bruno und Slobo an. Sie sollen dich begleiten. Ist zu wenig sicher allein“, sagt Vesna.
„Bruno und Slobo?“, ruft Fran empört. „Glaubst du wirklich, ich gehe ohne deine bosnischen Kleiderschränke verloren?“
„Du selbst bist Bosnier“, erinnert ihn Vesna.
„Ich bin Österreicher. Und ich kann wunderbar auf mich aufpassen.“ Fran speichert das Überwachungsvideo und einige Bilder von Gruber.
Vesna setzt sich durch. Bruno, der Mann, der bei ihr zwar als Reinigungskraft auf der Lohnliste steht, aber bereits seit vielen Jahren achtgibt, dass meiner Freundin und ihren Freunden nichts zustößt, hat Zeit. Er hat ein Taxi, in weniger als zehn Minuten ist er da und wartet neben dem Wagen. Gegen ihn wirkt selbst Oskar zierlich. Wir schauen aus dem Fenster, Fran steigt ein.
Oskar kommt heute übrigens später, er hat versprochen, etwas zu essen mitzubringen. Was er für zwei rechnet, wird sicher auch für uns drei reichen. Sonst ergänze ich es durch irgendetwas aus dem Kühlschrank. Seit Oskar wieder da ist, kann ich nicht mehr über Appetitlosigkeit klagen. Selbst jetzt knurrt mir der Magen.
Vesna und ich gehen das Video der Überwachungskamera noch einmal in Zeitlupe durch. Das Programm von Fran hat die Aufnahmen doch ein wenig verbessert. Hinter dem Hackschnitzellager … da blitzt kurz etwas auf. Der Mond muss herausgekommen sein, die Konturen werden etwas deutlicher. Ich deute auf das Bild, stoppe die Wiedergabe, fahre langsam wieder zurück: Könnten das die Umrisse eines Autos sein? Wir konzentrieren uns jetzt ausschließlich auf den Hintergrund des Hackschnitzellagers. Waldrand.
„Stopp!“, ruft Vesna. „Jetzt man sieht es besser.“
„Es gibt keinen Weg dort hinten, da ist bloß Wald, zumindest soviel ich weiß“, murmle ich.
„Schau ganz genau.“ Vesna deutet auf den Bildschirm meines Laptops. „Da ist Kotflügel, da ist Windschutzscheibe, da ist Dach. Es muss dunkles Auto sein. Und sehr großes. Eckig. Hoch. Kleiner Lkw oder Geländewagen, Geländewagen ist wahrscheinlicher. Dann er braucht keinen guten Weg.“
„Vielleicht der von Schwarzenegger?“, witzle ich. Und da fällt mir etwas ein: Zemlinsky. Auch er hat einen Hummer. Ich habe ihn auf dem Foto in seinem Büro gesehen. Vesna nickt aufgeregt. „Hummer kann sehr gut passen. Vielleicht man kann Nummerntafel erkennen. Es leuchtet etwas ganz vorne, teilweise durch Büsche, im Mondlicht. Mach das Bild von Auto größer!“
Ich versuche es und alles verschwimmt im Nichts.
„Fran hat ja das Video. Wir müssen ihm bloß sagen, worauf er achten soll. Wenn, dann schafft er es, die Nummer sichtbar zu machen. – Oder wenigstens einen Teil davon.“
„Und für mich ist es kein Problem zu klären, ob Kennzeichen zu Zemlinsky-Auto passt“, ergänzt Vesna.
„Da kann ich auch in seinem Büro nachsehen.“
Vesnas offizielles Telefon läutet. Es ist Valentin. Er macht sich Sorgen. „Ist kein Grund, Liebster“, säuselt Vesna. „Wir haben …“ Sie unterbricht sich erschrocken. „… nur etwas geplaudert. Und Zeit übersehen. Ich komme gleich heim.“
Vesna wollte warten, bis Oskar da ist. Sicherheitshalber. Aber allzu neurotisch sollten wir auch nicht werden. Ich bin in unserer Wohnung: Was sollte mir passieren? Und Vesna … wir bleiben über unser Wertkartenhandy in Verbindung, bis sie in ihr Auto gestiegen und davongefahren ist.
Als Oskar kommt, habe ich bereits ein Glas von unserem Lieblings-Weinviertel-DAC getrunken. Ich trinke selten vor dem Abendessen, aber heute war mir danach. Mein Hirn läuft trotzdem noch auf Hochtouren. Ich sollte alles niederschreiben, bevor ich etwas durcheinanderbringe.
„Du musst in erster Linie etwas essen“, widerspricht Oskar.
Kompromiss: Er richtet an, was er an kalten Delikatessen mitgebracht hat, ich tippe inzwischen Stichworte in meinen Laptop. Aber auch das beruhigt mich nicht. Während wir essen, erzähle ich Oskar, was wir wissen und was wir vermuten – leider fällt das meiste in die zweite Kategorie. Kann es wirklich sein, dass Zemlinsky einer der drei Schatten beim Biomasseheizwerk von „PRO!“ war? Wer sonst hat im Umfeld der Energieszene einen Hummer? Oder einen ähnlich großen Geländewagen? Ist es möglich, dass Tina Bogner Zemlinskys Auto erkannt hat? Dass sie ihn deshalb in Frankfurt getroffen hat?
Immer wieder sehe ich auf mein
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