Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Autonummer Zemlinsky hat. Es ist sein Wagen.“
„Und war er einer der drei?“
„Auch Computerprogramme haben Grenzen. Die Überwachungskameras sind extrem mies. Seine Größe und die Statur würden auf zwei der drei Gestalten passen. Mehr kann ich nicht sagen.“
„Wo ist Vesna?“
„Sie will so schnell wie möglich zu dir kommen. Momentan ist sie bei einem Klienten. Und dann möchte sie mit dem Privatdetektiv der Windkraftgegner reden.“
Jetzt bin ich mehr als hellwach. Zemlinskys Wagen war beim Biomasseheizwerk, als der Sack abgeladen wurde. So viel steht eindeutig fest. „Mit dem Privatdetektiv?“, frage ich nach.
„Sie wird sich als Mitarbeiterin einer Umweltaufsichtsbehörde ausgeben. Sie will ihn fragen, wie er darauf kommt, dass ‚PRO!‘ Abfall verheizt. Wenn er eine Chance sieht, die Ökoleute anzuschwärzen, dann redet er sicher. Sie meldet sich, sobald sie kann. Und: Sie lässt dir ausrichten, dass du warten sollst, bevor du etwas unternimmst.“
„Was ist eigentlich mit dem angeschossenen Aktivisten? Ich muss dringend mit ihm reden.“
„Vergiss es, er ist in künstlichen Tiefschlaf versetzt worden. Wir haben ihn offenbar in letzter Minute ins Krankenhaus gebracht. Jetzt sieht es besser für ihn aus, aber sicher ist nicht, ob er durchkommt. So ein Wahnsinn. Sprengt eine Tafel und die schießen ihm nach.“
Ich bedanke mich. Erst als ich versuchen will, das Telefon in meine Tasche zu stecken, wird mir klar, dass ich nackt bin. Ich zittere vor Kälte. Ich stelle mich noch einmal unter die heiße Dusche.
Gruber hat Zemlinsky bestochen, Gerüchte in diese Richtung hat es ja genug gegeben. Und Gruber konnte, wenn er getrunken hat, seinen Mund nicht halten. Er ist zu einem Sicherheitsrisiko geworden. Wenn aufgeflogen wäre, dass man den Nationalratsabgeordneten und Ausschussvorsitzenden Anton Zemlinsky gekauft hat, wäre es mit seiner Karriere vorbei gewesen. Und mit den lukrativen Aufträgen für die Werbefirma seiner Frau wohl auch. Ganz abgesehen von den strafrechtlichen Konsequenzen. Also hat er gemeinsam mit zwei anderen Gruber aus dem Weg geräumt. – Ist das wirklich so einfach? Wie ein kaltblütiger Killer sieht der geckenhafte Politiker nun doch nicht aus. Und wenn er morden hat lassen? Warum sollte er dann seinen auffälligen Hummer als Transportmittel zur Verfügung stellen? Warum hat er ihn überhaupt verwendet? Es ist höchste Zeit, zur Polizei zu gehen. Für die nächste Story wird mir unsere Geschäftsführung jedenfalls ausreichend Platz geben. Das wollen viele lesen. Zuckerbrot ist noch segeln. Soll ich wirklich mit seinem Vertreter, diesem Kammerer, reden? Sieht aus, als hätte er jede Menge Vorurteile. Im besten Fall. Im schlechtesten … Was, wenn auch er von den Energieleuten gekauft ist? Aber wahrscheinlich ist das gar nicht notwendig. Es reicht, wenn er gerne auf der Seite der Mächtigen ist. Genau so hat er gewirkt. Morgen ist Redaktionsschluss. So lange kann die Polizei auch noch warten. An den Fakten ändert sich schließlich nichts. Was soll heute noch viel passieren? Selbst unser Verwundeter kann nicht fliehen. Er liegt im Tiefschlaf. – Ob ich über ihn und seine Gruppe schreibe? Sicher. Nur weil sie mir sympathischer ist als Zemlinsky und Co, kann ich nicht einfach so tun, als wüsste ich von nichts. Ganz abgesehen davon, dass Anschläge, selbst wenn sie bloß als eine besondere Form der Nachdenkhilfe gedacht waren, wohl nicht das richtige Mittel für Veränderungen sind.
Ich ziehe mich an, streichle Gismo. Danke, dass du mich geweckt hast.
Ich habe also einen Tag Zeit, um einiges zu klären. Wie steht Tina Bogner wirklich zu Zemlinsky? War sie bei der Aktion im Biomasseheizwerk dabei und wollte sie deswegen die Aufzeichnungen verschwinden lassen? Oder hat sie Zemlinskys Wagen auf dem Überwachungsvideo erkannt und ihr Wissen genutzt, um ihn zu erpressen? Für Oskar hat ihr Treffen in Frankfurt allerdings eher freundschaftlich ausgesehen.
Ich kann durch ein harmloses Interview abzuklären versuchen, wie Zemlinsky nun zu „PRO!“ steht. Bei unserem letzten Gespräch hat er sie noch in die Nähe von Umweltterroristen gerückt. Findet er jetzt freundlichere Worte, würde das für eine inzwischen engere Verbindung mit Tina Bogner sprechen. Besser freilich, ich bitte nicht über seine Mitarbeiterin um einen Termin. Soll ich noch einmal Droch einspannen? Ich würde Zemlinsky am liebsten überraschen. – Und wenn er nicht im Parlament ist? Dann habe ich
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