Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Meldungen von „Cybersolar“ über Twitter zu verfolgen. Selbst in dieser aufgeheizten Stimmung ist nicht anzunehmen, dass Militärbehörden oder Sonderkommissionen ein Picknick als terroristischen Akt einschätzen.
Auch in Deutschland scheinen die Aktionen weiterzugehen. In Berlin wird zu einer „Straßenparty für die Energiewende“ aufgerufen, mehrere Organisationen und Firmen unterstützen das Fest. Darunter ein Mode-Label. Scheint schick zu werden, die alternative Energiepolitik.
Auf der Homepage von „PRO!“ ist alles beim Alten. Ich überlege, mir noch einmal die PowerPoint-Präsentation über die verschwundenen Elektroautos anzusehen, lasse es dann aber bleiben.
Auf der Seite der Windkraftgegner wird nicht nur gegen Windräder, sondern auch gegen „PRO!“ und „Cybersolar“ Stimmung gemacht. Pauschal werden sie als
„Umweltterroristen“
bezeichnet, die
„uns ins Chaos stürzen wollen und unsere schöne Landschaft zerstören“
. Von den Schüssen auf die Windräder distanzieren sie sich.
„So etwas haben wir nicht notwendig. Was für uns spricht, sind die Fakten. Wir kämpfen weiter für unsere Gesundheit und unsere Umwelt!“
„Pure Energy“ hat es noch immer nicht geschafft, seine aufwendig gestaltete Homepage wieder in Betrieb zu nehmen. Wenn die erwischt werden, die für die Hackerattacke verantwortlich sind, dann wird man sie ganz schön zur Kassa bitten. Ich kann nur hoffen, dass Fran die Wahrheit sagt und nicht mit dabei war. – Soll ich ihn anrufen? Ihm eine Nachricht schicken? Er wird es heute Abend einfach nicht mehr geschafft haben, ein neues Programm zu entwickeln. Wir hätten zumindest von Bruno gehört, wenn etwas geschehen wäre. Hoffentlich. Ich gehe auf die ORF-Homepage, sehe die Nachrichten der letzten Stunden durch. Keine Meldung über eine Schießerei auf der Uni. Dafür alles Mögliche andere. Werbung für eine Fernseh-Doku über die Fleischindustrie:
„Wie Schweine in Österreich geschlachtet werden“
. Es bleibt weiterhin zu kalt für die Jahreszeit. Unsere Justizministerin wehrt sich gegen den Vorwurf der Lüge. Einem Fünfjährigen wurde die Armprothese gestohlen. Die Energiewirtschaft unterstützt den „Cybersecurity“-Plan der Innenministerin. Bei einem Frontalzusammenstoß starben vier Menschen im Alter zwischen siebzehn und dreiundzwanzig Jahren. Der Lenker war schwer alkoholisiert und hat den Unfall überlebt. – Was ist wichtig?
Darüber muss ich wohl eingeschlafen sein. Ich fahre vom Tisch hoch. Ein unangenehmes schnarrendes Geräusch. Wertkartentelefon. Puls von Ruhezustand auf Alarm. „Ja?“
„Der Idiot ist fast verblutet. Ich bin mit dem Computerprogramm nicht recht weitergekommen und bin raus zu ‚PRO!‘, ich wollte Lichtmessungen beim Wald machen, wegen des Autos, das ihr gesehen habt, war übrigens super, euer Blick. Ich bin nicht über das Gelände, sondern so wie die drei Schatten durch den Wald. Es war schon gegen Mitternacht. Ich habe jemand am Biomasseheizwerk entlangschleichen gesehen, keine Ahnung, ob das von den Kameras erfasst worden ist, ich glaube, eher nicht. Ich bin hinterher. Vorsichtig natürlich. Der Schatten ist rein ins Heizhaus. Ich nach. Da hab ich gesehen, dass es eine Frau ist. Und mir hat gedämmert, dass ich sie kenne.“
„Tina Bogner?“, frage ich atemlos.
„Warum? Nein. Dorli, eine Mitarbeiterin, studiert Umweltbiologie. Ich hab sie gefragt, was sie da macht, und sie ist so erschrocken, dass ich geglaubt habe, sie fällt um. Es gibt einen großen Apothekenschrank im Raum neben dem Heizraum. Vor dem ist sie gestanden.“
„Drogen?“
„Sie wollte Verbandszeug. Es hat nicht lang gedauert und sie hat erzählt, was los ist. Sie war total fertig. Ihr Freund ist angeschossen worden. Er war einer von den zweien, die die Tafel im Kraftwerk Simmering gesprengt haben. Es ist ihm gelungen, die Polizei abzuhängen, aber es geht ihm ziemlich schlecht, hat Dorli gesagt. Ich bin mit zum Haus ihrer Großmutter, in dem die beiden wohnen. Ich hab ihn kaum erkannt. Er hilft auch bei ‚PRO!‘ mit. Er war total weiß und hat gezittert. Ich hab die Rettung angerufen, Dorli war, glaube ich, einfach froh, dass sie nichts entscheiden musste. Ich meine: Strafe hin oder her, was nützt es ihr, wenn er tot ist?“
„Er ist jetzt im Krankenhaus?“
„Ja, die haben in der Notaufnahme zum Glück gar nicht viel gefragt. Das kommt sicher noch. Ich hab mit ihm geredet, bis die Rettung gekommen ist. Schon allein, um ihn wach zu
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