Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
weggefahren ist. Dabei war es ja sein Fest, sozusagen. Weil die haben das mit dem neuen Dorfnamen durchgesetzt. Was muss der an so einem Tag wegfahren? Ha? Außer er hat was Wichtiges vor.“
„Vielleicht euer Windmühlenkämpfer will nur böse Geschichte über Novak verbreiten“, gibt Vesna zu bedenken und nippt an ihrem Glas. Rotwein ist ihr viel lieber. Soll mir recht sein. Sie kann mit meinem Auto fahren. Ich schenke mir nach.
„Gibt es Beweise?“, frage ich.
„Der Sancho Paso ist kein Trottel, der arbeitet als Kammerjäger“, lallt ein langer Dünner.
„Du bist ein Trottel, der heißt Sancho Pansa und nicht Sancho Paso“, widerspricht der mit der Schirmkappe.
„Das hast du mit ‚El Condor Pasa‘ durcheinandergebracht“, kichert eine Rothaarige mit etwas entgleisten Gesichtszügen.
„Il Condos paso, aber Sancho Penso … oder so … da kommt man ganz durcheinander … egal, der mit den Windrädern, oder Mühlen …“, bemüht sich der mit der Schirmkappe weiter um Aufklärung.
Völlig sinnlos, mit denen heute noch länger zu reden. Wir werden überprüfen, ob Novak das Fest wirklich verlassen hat. Bei der Tafelenthüllung war er nicht neben Tina Bogner, so viel ist sicher.
„Was heißt, die von ‚PRO!‘ haben Dorfnamen durchgesetzt?“, redet Vesna weiter. Sie scheint Gefallen an der illuminierten Landbevölkerung gefunden zu haben.
„Das ist so“, sagt die Frau mit den roten Haaren, „Die haben ja viel getan. Und es sind jetzt auch Firmen da, die Arbeitsplätze gebracht haben. Und wenn die einen anderen Namen für unser Dorf wollen, sind die meisten dafür. Und den anderen hat man gesagt, dass das ganz wichtig ist für das Image. Und dass dann noch mehr Firmen herkommen. Mit guten Arbeitsplätzen für die Jugend. Das will keiner verhindern. Und der Bürgermeister ist sowieso ein heimlicher Grüner.“
„Ist das so schlecht?“, frage ich. In meinem Kopf brummt es, oder brennt dort ein Feuer?
„Na ja. Der Loisl sagt, bald werden sie Geld genug haben und den Namen wieder zurückkaufen. Weil wer das Geld hat, schafft an.“
„Der Loisl ist ein Depp“, mischt sich der lange Dürre ein. „Der betet zum Haider, obwohl der schon lange tot ist.“
„Du bist ein Depp“, gibt die Rothaarige zurück. „Man betet erst überhaupt zu jemandem, wenn er schon tot ist. Und außerdem hat der wirklich Geld. Wenn die ihre Informationsveranstaltungen gegen die Räder, gegen die Windräder, meine ich, machen, dann biegt sich der Tisch!“
„Der hat kein Geld“, beharrt der Dürre. „Der ist Frühpensionist.“
„Ja, aber er war bei der ‚AE‘. Und die haben immer gut gezahlt.“
„Bei der ‚AE‘, denen auch die Gasleitung gehört?“, frage ich nach.
„Na, eine andere gibt es nicht“, kommt es von der Rothaarigen zurück.
„Kann es sein, dass die den Protest gegen die Windräder organisieren?“
„Blödsinn“, antwortet der Mann mit der Schirmkappe. „Für die sind wir alles nur Wappler. So ein kleines Dorf ist denen doch egal. Außerdem, wer weiß, wie lang das gut geht mit unserer eigenen Energie.“
Sieht so aus, als wäre doch nicht ganz Sonnendorf begeistert von dem, was sich hier verändert hat. Aber wo ist das schon der Fall? Wir bedanken uns für den Wein, ich stehe mit weichen Knien auf und wir bewegen uns Richtung Auto. In den meisten Fenstern entlang der Hauptstraße brennt kein Licht mehr. Egal ob Ravensbach oder Sonnendorf – es schläft. Einsam in einem Feld steht mein Honda.
[ 5. ]
Carmen ist in der Türkei“, erzählt mir Oskar, als wir beim Frühstück sitzen. Ich verschlucke mich am Kaffee, huste ein Weilchen und denke dabei nach.
„Ja, das hab ich auch gehört“, antworte ich dann.
„Was macht sie in der Türkei?“, will er von mir wissen.
„Sie ist deine Tochter.“ Ich lächle möglichst harmlos. Soll ich mir eine Buttersemmel machen? Eigentlich bin ich keine, die frühstückt, aber mit Oskar gemeinsam ist das anders. Um zu joggen, ist es schon zu spät, ich muss in die Redaktion. Am besten sofort.
„Aber du hast mit ihr zu tun“, lässt Oskar nicht locker.
„Ich wollte mich bloß bedanken, dass sie mir den Kontakt zu Gruber vermittelt hat – und da habe ich eben gehört, dass sie momentan in der Türkei ist. ‚Pure Energy‘ hat dort vor kurzem ein großes Büro eröffnet.“
Oskar sieht mich nachdenklich an. „Ich hab mich auch ein wenig umgehört. ‚Pure Energy‘ ist vor etwas mehr als einem Jahr wie aus dem Nichts
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