Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
tatsächlich schon etwas kleiner geworden. Immer mehr Journalisten kommen, außerdem ein Trupp der Spurensicherung und ein großer dunkler Mercedes. Einige Männer in Anzügen steigen aus. Sind das die neuen Kriminalpolizisten? Mit dem Leiter der Wiener Mordkommission 1, Zuckerbrot, haben sie wenig gemeinsam. Der trägt am liebsten eine Strickweste, die offenbar selbst von den Motten verweigert wird. Meine Kollegen werden unruhig. Wann gibt es endlich Informationen? Die wichtigen Herren, keine einzige Frau ist dabei, werden durch die Absperrung gelassen. Jetzt sind sie näher beim Feuer, aber vor uns sicher. Dann, gerade als die Sonne untergeht, wird die Flamme tatsächlich kleiner. Einer der Anzugträger gibt doch noch ein Medienstatement ab. Er ist Mitglied des Vorstands von „AE“. Der Schaden halte sich in Grenzen, er werde in rund einer Woche repariert sein, natürlich werde man den ganzen Streckenabschnitt genau auf Schwachstellen und Beschädigungen überprüfen.
„Wer war es? Das wollen wir wissen!“, schreit ein Lokalreporter, den ich beinahe zu gut kenne. Er ist vom „Blatt“, der auflagenstärksten, wenn auch nicht eben besten Tageszeitung des Landes.
Der „AE“-Vorstand sieht ihn irritiert an. „Es gibt bisher keinerlei Verdachtsmomente. Es wird detailreich ermittelt werden, das kann ich versichern. Wir überwachen unsere Leitungen ständig. Es gab weder ein Anzeichen von Materialermüdung noch eines auf einen Angriff von außen.“
Ich bin schweißgebadet. Wenn die Flamme ausgeht, wird es kalt. Jetzt kommt die Herbstnacht. Ich habe das Gefühl, dass ich hier und heute nicht mehr erfahren werde. Außerdem: Mein Redaktionsschluss ist erst in fünf Tagen. Ich sehe mich nach Novak um. Er steht bei ein paar Feuerwehrleuten und redet mit ihnen über die Absperrung hinweg.
„Die sind aus Ravensbach“, erklärt er mir.
„Sonnendorf“, ruft einer von ihnen und grinst.
Novak zuckt zusammen. „Schon peinlich, dass ausgerechnet ich nicht daran denke.“
Ich ziehe ihn ein wenig zur Seite. „Sind Sie mit der Kampagne von ‚PRO!‘ eigentlich glücklich? Es könnte Leute geben, die finden, sie sei ein wenig … vehement. War es gut, dass man sofort gesagt hat, die Explosion zeige, wie anfällig Druckgasleitungen seien?“
Novak sieht mich an. „Ich stehe voll und ganz hinter Tina Bogner, wenn Sie darauf hinauswollen. Ich wüsste niemanden, der sich mit derartigem Einsatz und derartigem Wissen um unsere Sache kümmern könnte.“
„Ich rede nur von Unterschieden im Stil. Hätten Sie das auch so gesagt?“
„Wahrscheinlich nicht so gut. Deswegen ist sie unsere Sprecherin. – Wollen Sie noch dableiben? Ich möchte fahren.“
Zehn Minuten später sind wir zurück in Sonnendorf. Das Fest scheint zu Ende zu sein. Eine Reihe von Helfern, darunter einige in Sonnen-Shirts, klappen die Heurigengarnituren zusammen und laden sie auf einen großen Anhänger. Wir verabschieden uns von Novak und danken fürs Mitnehmen. Nein, kein Problem, wir würden von hier zu Fuß zum Auto bei der Dorfeinfahrt gehen.
Einer der Heurigentische am Ende des Festplatzes ist noch besetzt. Die Leute dürften ihr Feuer mit sehr viel Wein gelöscht haben.
„Setzt’s euch her, Mädels“, ruft einer. „Seid’s wohl nicht von da.“
Ich schüttle so freundlich wie möglich den Kopf. Vesna zieht mich hin.
„Was soll das?“, fauche ich.
„Wer ist da Journalistin? Wer braucht Information? Du oder ich?“, zischt sie zurück.
Ein wenig später stehen zwei Gläser Veltliner vor uns. Er schmeckt erstaunlich gut, und nach dem dritten Schluck wird mir bewusst, dass ich leider nicht zu einer der Solargrillwürste gekommen bin.
„Ist komisch, das mit Feuer“, beginnt Vesna das Gespräch.
„Und woher bist du jetzt?“, fragt einer mit Schirmkappe.
„Aus Wien. Ist aber egal.“
„Hast eh recht. Der Sancho Pansa sagt – wir nennen ihn so, weil er gegen die Windräder ist und immer mit dem Loisl, dem Oberanführer gegen die von ‚PRO!‘, zusammensteckt, weißt eh: Don Quichotte und Sancho Pansa, die gegen die Windmühlen gekämpft haben, ich hab es im Fernsehen gesehen, mit dem Josef Meinrad. Das war ein hervorragender Schauspieler, übrigens. Einer, der noch etwas können hat. Im Burgtheater …“
„Was sagt Sancho Pansa?“, unterbreche ich seinen alkoholgesteuerten Redefluss.
„Wer? Ach so. Unser Sancho Pansa. Der sagt, dass es die Ökos selbst waren. Er hat gesehen, wie der Novak während dem Fest
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