Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
ihrer Souveränität eingebüßt. „Das habe ich nicht gesagt. Ich habe allerdings vor kurzem seriöse Hinweise erhalten, dass sich sogar das Bundesheer mit solchen Bedrohungsszenarien beschäftigt.“
Das hört sich an, als hätte Super-Tina ihren eigenen Informationsdienst. Was immer ich ihr sage, sie wird es für ihre Interessen verwenden. Sollte ich mir merken.
„Natürlich kann auch eine alte Leitung geplatzt sein“, fährt sie fort. „Auch nicht viel besser. Stellen Sie sich vor, so etwas geschieht im Winter. Kein Gas, keine Wärme. Wer weiß, wie lang die Reparatur der Leitung dauert, wer weiß, wie lang es dauert, bis die Flammen unter Kontrolle sind!“
Ein Kamerateam nach dem anderen rennt zu den Fahrzeugen. Tina Bogner sieht den Journalisten mit hängenden Armen nach. Als hätte man ihre persönliche Energieleitung gekappt. Neben ihr steht der Mann von vorher. „Darf ich vorstellen?“, murmelt sie abwesend, „Karl Novak, unser Geschäftsführer.“ Wir reichen einander wortlos die Hand. Das Fest geht weiter, nicht alle scheinen sich so intensiv um die Flamme zu kümmern. Man hat einfach ein Gesprächsthema mehr. Aber das Interesse der Journalisten hat sich schlagartig verlagert. Dummerweise steht mein Auto am anderen Ende des Dorfs. Ich sollte dringend dorthin, wo es brennt. Vesna sprintet auf mich zu.
„Eine Explosion bei einer Gaspipeline“, sage ich und denke mir: seltsamer Zufall.
Zwei Männer mit einem Transparent, auf dem „Kampf den Windrädern“ steht, kommen näher. Der eine hat einen hochroten Kopf, Explosionsgefahr offenbar auch hier. „Das wart ihr!“, schreit er dem Führungsduo von „PRO!“ entgegen. „Gebt es lieber gleich zu! Wer sonst profitiert davon, wenn kein Gas fließt? Ihr Ökoterroristen!“
„Warum sollen sie das gewesen sein?“ Ich frage es so ruhig wie möglich.
„Weil sie alles bekämpfen, was nicht von ihnen ist! Jahrzehntelang haben wir unsere Leitungen und noch nie ist eine geplatzt!“
„Jetzt sind sie eben alt“, erwidert Tina Bogner und ihre Augen sind ganz schmal.
Es dauert nur drei Minuten und Tina Bogner hat einen Mitarbeiter organisiert, der uns und Karl Novak zur zerstörten Gasleitung fährt. Es handle sich um eine Überlandleitung, erzählt uns Novak auf der kurzen Fahrt. Gehöre wie alle hier „AE“, Austria Energie. Einstmals staatlich, inzwischen privatisiert.
„Kann es wirklich sein, dass die Pipeline einfach zu alt geworden und geplatzt ist?“, frage ich.
Novak schüttelt den Kopf. „Kann ich mir nicht vorstellen. Das sind keine Gasleitungen, wie man sie aus Wohnhäusern kennt, das sind massive Rohre von mehr als einem Meter Durchmesser mit einem dicken Stahlmantel. Und sie werden natürlich regelmäßig gewartet. Es gibt Verfahren, mit denen kontrolliert wird, ob das Material Ermüdungserscheinungen aufweist.“
„Warum Tina Bogner hat dann …“, beginnt Vesna.
„Sie ist keine Expertin. Sie kümmert sich bei uns um die Werbung. Und um die Öffentlichkeit.“
„Das heißt, es muss doch irgendeine Art von Anschlag gewesen sein“, fasse ich zusammen.
„Was weiß ich …“ Dann sind wir da, Chaos aus kreuz und quer abgestellten Autos, telefonierenden Menschen, Kameraleuten, dazwischen Feuerwehrleute, Polizei. Und beinahe unerträgliche Hitze. Und eine Flamme, die bis zum Himmel zu reichen scheint.
Das Gelände ist auf der Seite zum Feldweg hin abgesperrt. Rund um das Feuer eines ihrer Absperrbänder zu ziehen, hätte Polizei und Feuerwehr wohl überfordert. Der Radius wäre einfach zu groß. Es dürften circa hundert Meter zu der Stelle sein, an der die Flamme aus dem Boden schießt. Rundum ist der Boden schwarz, es scheint, als hätte die Explosion einen Trichter in den Boden gerissen, aber genau kann man das bei diesem wilden Lodern nicht sehen. Feuerwehrleute stehen mit ausgerollten Schläuchen in sicherem Respektabstand von der Flamme und löschen, wann immer ein Flämmchen über das abgeerntete Feld davonzüngeln möchte. Ein paar Männer, einige in Polizeiuniform, stehen daneben, stecken die Köpfe zusammen und scheinen sich zu beraten. Neun Einsatzautos zähle ich. Blaulichter drehen sich im Kreis. Die Sirenen aber scheinen sie abgestellt zu haben. Oder werden sie vom gefährlichen, hungrigen Flammengrollen übertönt?
„Zum Glück ist es beinahe windstill. Und es ist kein Wald in der Nähe. Und keine Siedlung“, ruft eine Journalistin dicht neben mir. Sie ist kaum zu verstehen. Ich warte gemeinsam mit
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