Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
gewinnen und runterschlucken.
„Ihre Reportage war sehr interessant“, fährt Gruber fort. „Auch wenn man schon sagen muss, dass die Sprecherin von dieser Ökofirma eine Menge unrealistischer Ideen hat. Leider unrealistisch, sage ich dazu.“
Heute bin ich dankbar dafür, dass sich Gruber so gerne sprechen hört. Es fällt ihm gar nicht auf, dass ich nichts sage, sondern bloß nicke.
„Für Klimaschutz sind wir natürlich alle. So viel ist klar. Das verbindet uns auch sehr mit meinem Freund Arnie. Ich habe ihn übrigens persönlich getroffen, als in Graz das Stadion eröffnet wurde. Damals war ich in der Regierung …“
Jetzt hab ich die Buttersemmel unten. Ich hole Luft und sage: „Er hält Modelle wie das in Sonnendorf für zukunftsweisend.“
„Ich fürchte, er kann nicht mehr ganz so gut Deutsch. – Sie haben ihn getroffen? Wo? Wie war das so schnell möglich?“
Ich will schon sagen, dass er das ja bloß seinen „Freund Arnie“ zu fragen brauche. Armer Schwarzenegger. Solche Freunde zu haben … und wahrscheinlich viele davon. Sein einziges Glück: Die wenigsten von ihnen dürfte er tatsächlich kennen. „Wir haben telefoniert“, antworte ich. „Ganz neu war es übrigens nicht, was er gesagt hat. Ähnliches hat er schon bei der Klimakonferenz in Wien erzählt. – Gehen Sie hier eigentlich öfter spazieren?“ Die Umgebung unseres Redaktionsgebäudes lädt nicht wirklich dazu sein. Straßen und Autos und Staub und wenig Grün.
„Ich bin gerade auf dem Weg zu einem Termin“, gibt Gruber zurück.
Seine edelreptillederne Aktentasche hat er nicht mit. Und wie einer, der zu Fuß zu Geschäftsbesprechungen geht, wirkt er auch nicht gerade.
„Übrigens“, fährt er fort, „die Sache mit der explodierten Leitung …“
„Sie wissen bereits davon?“
„Stand ja in der Zeitung.“
„Sie sind ein genauer Leser.“
„Das muss man sein, wenn man ein wichtiges Unternehmen berät. – Ich fürchte, was diese Leitungssache angeht, wird noch einiges auf uns zukommen. Es sieht ganz danach aus, als hätte es sich um einen Anschlag gehandelt.“
„Um einen Anschlag?“
„Wir haben natürlich unsere Kontakte zu ‚AE‘, sie sind Geschäftspartner von uns.“
Heute ist Montagvormittag. Sonntagnachmittag ist die Leitung in die Luft geflogen. Stehen diese Energiemanager dauernd miteinander in Verbindung?
Gruber sieht sich vorsichtig um und beugt sich dann näher zu meinem Ohr. Ich mag so etwas nicht, aber ich zwinge mich, ruhig zu bleiben. „Wir haben im ‚Fabios‘ schon kurz darüber gesprochen. Wir reden von neuen terroristischen Gruppen. Linken Gruppen. Womöglich aus dem eigenen Land. Oder zumindest aus Europa. Umweltterroristen.“
Unter Umweltterroristen stelle ich mir Menschen vor, die in einem Hummer einkaufen fahren. Er aber meint sicher etwas ganz anderes. „Wie kommen Sie darauf? Gibt es konkrete Hinweise?“
„Das Ganze ist ja erst gestern passiert. Aber ich verrate Ihnen, weil Sie mir sympathisch sind und ich mich sicher auf Ihre Diskretion verlassen kann, dass die Leitung gesprengt wurde und nicht durch Materialermüdung geplatzt ist. Das weiß man. Und: Denken Sie an die Drohungen, die ich laufend erhalte. Außerdem: Es gibt weitere Indizien, über die ich aber noch nicht reden kann.“
Gruber spricht ohnehin viel. „Warum kümmern Sie sich eigentlich um diese Sache? ‚Pure Energy‘ hat doch damit nichts zu tun, oder?“
Der ehemalige Vizekanzler sieht mich empört an. „Uns geht es um eine sichere Energieversorgung für das Land. Es hat also eine Menge mit uns zu tun. Ganz abgesehen von den gegen mich persönlich gerichteten Angriffen. Leitungsnetze sind essenziell wichtig. Deswegen beteiligen wir uns ja auch an den transnationalen Leitungen. North Stream, South Stream, vielleicht auch Nabucco. Unter uns gesagt: ‚Pure Energy‘ macht sich Sorgen, ob ‚AE‘ dem, was da passiert, auf Dauer gewachsen ist. Ihr Kernauftrag ist eigentlich die Verteilung und der Vertrieb von Energie, vielleicht auch die Erzeugung, selbst wenn bei uns kaum mehr rentables Erdöl und Erdgas zu finden sein wird und diese neuen Schiefergasbohrungen sicher eine Menge Probleme machen, aber nicht die nationalen und transnationalen Netze.“
Ich erinnere mich an das, was mir Oskar beim Frühstück gesagt hat. „Sie wollen bei ‚AE‘ einsteigen? Oder ihnen die Leitungen abkaufen und sie übernehmen?“
Gruber zieht sich ein wenig zurück. Sieht aus, als hätte er zu viel erzählt. „Das
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