Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
mir zu. Hat er mich erkannt? Ich ihn nicht, mein Personengedächtnis ist leider eine Katastrophe. Und wenn ich dann auch noch abgelenkt bin … Ich versuche ein Lächeln, nehme Platz und denke an gescheiterte Beziehungen. Wie war das damals mit unserer Fotografin und ihrem eifersüchtigen Ehemann? Zuerst die Scheidung, dann ist er mit dem Auto einen Steinbruch hinuntergestürzt. Hinuntergestürzt worden, um genau zu sein. Stopp, was soll das? Konzentriere dich auf etwas anderes. Ich habe Oskar ja wirklich vom Generalleutnant erzählt. Damals, nach unserem Treffen im „Prückel“. Wie kann er … Ich sehe irritiert auf, als Vesna kommt.
„Siehst nicht sehr fröhlich aus, es ist etwas passiert?“, fragt sie.
Dass sie das aber auch immer gleich merken muss. Ich kann nicht anders, ich muss ihr von der dummen Sache erzählen.
„Du hast ihm nichts gesagt von Rendezvous?“, meint sie und studiert gleichzeitig die Tagesempfehlungen. „Dann es ist an Offizier was dran. Du hast dir Möglichkeiten offengelassen.“
„Quatsch“, sage ich ziemlich rau.
Der Abend ist schneller vergangen als gedacht. Ich kenne den Chef seit Jahren, er hat sich in den besten Lokalen Hauben und Sterne erarbeitet. Und er hat noch nie so entspannt ausgesehen wie jetzt, da er am Wasser locker Gutes ohne viel Aufwand für ein jüngeres Publikum kocht. Wir haben geplaudert und uns durchgekostet. Und als Vesna auf die Uhr schaut und sagt: „Ist es gleich elf. Wir müssen dringend los“, sehe ich sie erschrocken an.
Wir verabschieden uns mit dem Versprechen, bald wiederzukommen. Es gibt deutlich Schöneres, als in der Nacht ausgeflippten Umweltkriegern hinterherzujagen.
Vesna fährt wie immer. Sie nennt es „gleiten“, ich nenne es „rasen“. Wir sind zehn vor zwölf in Loidesbach, ganz nah bei der slowakischen Grenze. Ein kleiner Ort, auf der einen Seite Felder, auf der anderen die Aulandschaft bei der March. Viel sehen wir nicht, es ist beinahe Neumond. Jetzt müssen wir nur noch den Friedhof finden. Kein Mensch, den man nach dem Weg fragen könnte. Alles scheint zu schlafen. Weiter vorne die Scheinwerfer zweier Autos. Und was, wenn ich einem Spaßvogel aufgesessen bin? Schlimmere Möglichkeit: Was, wenn mich jemand hierherlocken wollte? Gruber ist verschwunden. Na gut. Mit dem bin ich wohl kaum zu vergleichen. Außerdem: Fran hat die gleiche E-Mail bekommen. Bei dem Gedanken atme ich auf.
„Dort hinten ist Kirche“, sagt Vesna und biegt von der Hauptstraße ab.
„Und wo ist eigentlich die Gasstation?“
„Habe noch kein Hinweis gesehen.“
So ein Unsinn, hierherzufahren. Wenn Oskar nicht so idiotisch reagiert hätte … Hör auf, ihm die Schuld zu geben, du bist selbst für dein Leben …
„Schau, da ist Friedhof“, Vesna deutet geradeaus.
„Und die Kirche. Selten, dass der Friedhof noch rund um die Kirche angelegt ist“, murmle ich. Unwillkürlich reden wir beide leise.
Vesna parkt etwas abseits unter einem Baum, wir steigen aus. „Dafür ist Kirche auch nicht in Dorfmitte, sondern am Rand.“
Wir lauschen. „Da war ein Geräusch. Und hinter dem Friedhof ist ein seltsamer heller Schimmer“, flüstere ich ihr zu. Drei Minuten vor zwölf.
„Ja. Du bleibst, ich sehe nach“, flüstert meine Freundin zurück und läuft um die Ecke. Da stehe ich jetzt, ganz knapp vor Mitternacht, bei der steinernen Mauer eines Friedhofs. Allein.
Es dauert nur ganz kurz und Vesna ist von ihrer Inspektion zurück. „Das Licht kommt von Gasstation, die ist einen Kilometer oder so hinter Kirche. Und Leute es gibt genug. Treffpunkt ist auf anderer Seite von Friedhof, dort sind auch ihre Autos.“
„Auto fahren tun die Ökos also schon“, knurre ich.
„Na, sollen sie zu Fuß gehen?“, kommt es zurück. Vesna probiert das schmiedeeiserne Tor zum Friedhofsgelände. Es ist versperrt. „Wir müssen herum um Mauer zu den anderen.“
Und in diesem Moment geht es los. Krachen. Knallen. Lichtblitze. Ich werfe mich auf den Boden. „Runter!“, schreie ich, aber in dem Lärm geht alles unter. Vesna duckt sich neben die Mauer. Ich hebe den Kopf. Die jagen die Gasstation in die Luft! Ich muss Zuckerbrot anrufen. Christoph. Hubschrauber. Die jagen uns mit in die Luft! Leuchtraketen. Mit wem haben wir es hier zu tun? Vesna steht auf. Ich will sie niederziehen. „Ist bloß Feuerwerk!“, brüllt sie. „Gebe zu, habe mich auch geschreckt!“ Ich sehe genauer hin. Es stimmt. Eindeutig ein Feuerwerk. Mitten auf dem Friedhof. Das
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