Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
und das klingt gar nicht okay.
Was will er noch? Dass ich den Koch und Lokalbesitzer als Zeugen herbeizitiere? Eine eidesstattliche Erklärung von Unterberger, dass er mir nicht zu nahe gekommen ist? Ich werde wütend. Und weil ich weiß, dass ich mindestens zwei Fehler gemacht habe, werde ich noch wütender: Erstens hätte ich Oskar natürlich gleich von dem Abend erzählen sollen. Und zweitens ist es idiotisch, die SMS mit der Nachricht herumliegen zu lassen. Und drittens. Nein, kein drittens. Es muss möglich sein, mit einem sympathischen Mann zu Abend zu essen, auch wenn es nicht der eigene ist. „Ich fahre heute übrigens doch noch weg. Und bevor du dir wieder etwas Falsches denkst: Vesna wird als Anstandsdame dabei sein. Wir sind auf dem Friedhof in Loidesbach, das ist der Ort, in dem die große Gasstation ist.“
„Ach, plötzlich? Gerade eben wolltest du noch daheim bleiben.“
„Ja. Weil ich dachte, wir würden uns einen schönen Abend machen. Weil mir das wichtiger war als meine Energie-Serie. Aber du hast mir geholfen, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren.“
„Und wer ist dieser Christoph überhaupt? Einer von Valentins dämlichen Showleuten?“
„Erraten. Er ist blond, dreiundzwanzig, war Unterhosenmodel und moderiert Valentins neue Show: ‚Bist du so sexy wie ich? Wenn nicht, hast du verloren!‘“ Ist mir gerade so eingefallen.
„So ein Unsinn!“, kommt es zurück.
„Unsinn ist, was du dir da zusammenreimst.“
„Ich kann lesen.“
„Ja, aber offenbar nur in Paragrafen denken.“
„Warum willst du mir nicht sagen, wer dieser Christoph wirklich ist?“
„Du hast es ja schon erraten. Es kann bloß ein dämlicher Typ sein, wenn er mit mir einen netten Abend verbringt.“
„So habe ich das nicht gesagt, verdreh mir nicht das Wort im Mund!“
„Und einen attraktiven Freund traust du mir nicht zu!“
„Ich trau dir alles zu!“
„Genau. Jetzt ist es draußen. Du traust mir alles zu!“ Ich schnappe mir einen dicken Pullover, nehme meine Tasche. „Wo ist das dämliche Telefon?“
„Dort, wo du es hingelegt hast. Auf dem Sofa.“
Ich gehe noch einmal zu Oskars Schreibtisch, stelle mich so, dass er mich ansehen muss. „Mein Gesprächspartner war Generalleutnant Christoph Unterberger, ich hab dir von ihm erzählt, was er gesagt hat, kannst du im ‚Magazin‘ nachlesen. Einen schönen Abend noch.“
Er sieht mich an, sagt nichts. Okay, wie du möchtest. Ich bin bei der Tür, reiße sie auf und stolpere über Gismo. Sie hasst es, wenn wir streiten. Ich fluche, rapple mich wieder auf. Hat sich heute meine ganze Familie gegen mich verschworen? Gismo sitzt im Stiegenhaus und starrt mich an. Komm her, du Bestie. Du kannst nicht da draußen bleiben. Gismo zieht sich zwei Meter weiter zurück.
„Was ist?“, sagt Oskar hinter mir. Er klingt fast besorgt.
„Ich bin über die blöde Katze gestolpert und jetzt hockt sie da und will nicht mehr hinein.“
„Ich mach das schon. Geh nur.“ Das klingt sogar halbwegs versöhnlich. Ich schaue meinem Mann ins Gesicht. „Und viel Vergnügen!“, fügt er hinzu. Das klingt schon wieder weniger gut.
„Danke!“, antworte ich dennoch und steige in den Lift.
Es ist zu früh, um schon Richtung Loidesbach zu fahren. Ich trödle und gehe langsam zum Donaukanal, Richtung „Badeschiff“. Der Swimmingpool hat schon geschlossen, aber so nah beim Wasser zu sitzen und gut zu essen … vielleicht kann mich das aufheitern. Ich schicke Vesna eine SMS. Ich ärgere mich über Oskar, und über mich ärgere ich mich mindestens so sehr. Vertraut er mir nicht? Würde ich ihm in so einer Situation vertrauen? Na gut. Bei ihm hat es ja tatsächlich einen Seitensprung gegeben. Und ich bin der Dame, natürlich war’s eine Kollegin von ihm, auch noch im Hotel begegnet. Gerade dass ich die beiden nicht in flagranti erwischt habe. Ich habe ihm verziehen. Während er schon wegen eines Abendessens … Oh, einen kleinen Sprung auf die Seite hab ich auch gemacht. Kurz nach Oskars Eskapade. Ich sollte das nicht vergessen. Wäre schade. Es war zu schön. Eine Nacht am karibischen Strand … romantischer geht es nicht. Aber eben nur eine Nacht, für den Alltag taugt solche Romantik nicht. Während er sich mit der jungen Anwältin deutlich häufiger getroffen hat. In Frankfurt. Ich sollte ihn vielleicht daran erinnern. Quatsch. Was will ich da aufrechnen?
Ich gehe über den Steg ins „Badeschiff“ und habe Glück: Noch sind einige Tische frei. Der Kellner nickt
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