Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Vielleicht sollte ich in seiner Praxis mitarbeiten, ich traue mir schon zu, dass ich mich an einiges erinnere und anderes lerne. Aber: Gemeinsam arbeiten und gemeinsam leben bedeutet schon sehr viel an ununterbrochener Nähe. Ganz abgesehen davon, dass ich nicht das Gefühl haben möchte, letztlich von ihm abhängig zu sein. Wer sonst als der eigene Mann würde eine neunundvierzigjährige Juristin ohne Praxis beschäftigen? Und das Wichtigste: Ich bin deutlich lieber Journalistin. Jedenfalls üblicherweise. Ich nehme mein Mobiltelefon und sehe nach, ob mir jemand eine Nachricht geschickt hat. Es gibt keine neue. Dafür eine alte. Sehr nette. „Danke für unseren wunderschönen Abend. – Fortsetzung?“ Ich hätte Christoph längst antworten sollen. Aber da ruft Vesna an und fragt, was ich davon halte, joggen zu gehen. Bis ewig werde das schöne Septemberwetter nicht dauern. Allzu schnell wolle sie ohnehin nicht unterwegs sein, sie sei gestern Abend endlich wieder einmal fünfzehn Kilometer gelaufen. Allein bei dieser Vorstellung bekomme ich keine Luft mehr.
Wenig später traben wir tatsächlich einigermaßen gemächlich durch den Prater. Ich erzähle Vesna, dass Frans Liebe zu „Cybersolar“ offenbar schon am Abklingen sei. Die heutige Aktion auf dem Friedhof komme ihm eher kindisch vor.
„Gut so. Aber du willst auch nicht hin? Du bist Journalistin. Ich glaube nicht, viele von Medien haben Einladung bekommen und wissen davon. Vielleicht du bist nur durch Zufall auf Liste.“
„Was soll ich über so einen Blödsinn berichten?“, keuche ich. Gleichzeitig sprechen und laufen geht sich noch immer nicht gut aus.
„Blödsinn ist bei größter Gasstation, du hast selbst gesagt. Das kann wichtig sein. Man kann herausfinden, was die wollen. Wenn du willst, ich komme mit.“
„Und Valentin?“
„Der muss mit irgendwelchen Fernsehleuten aus Deutschland, die ihm Show abkaufen wollen, essen. Er will, dass ich mitgehe. Aber ich sage: Dafür er hat falsche Freundin. Dafür er braucht Aufputz wie Carmen.“
„Carmen ist nicht bloß Aufputz“, nehme ich Oskars Tochter in Schutz.
„Aber auch, das zählt.“
Wie sehr ist sie Aufputz für Hohenfels? Ich werde versuchen, in den nächsten Tagen einen Termin bei ihm zu bekommen. Natürlich aus beruflichen Gründen. Vesna will nicht mit zum Geschäftsabendessen. Also braucht sie eine Ausrede und ich soll mit ihr auf die Friedhofsparty. Aber: Ich bin gern bei Oskar daheim.
Ich komme beschwingt zurück. Oskar grüßt etwas kurz angebunden, er ist noch immer in seinen juristischen Unterlagen gefangen. Ich dusche, lege von hinten meine Hände auf seine Schultern. „Was machen wir mit dem heutigen Abend?“
„Hast du nichts Besseres vor?“
„Lass mich einmal überlegen, nein. Ich denke nicht“, blödle ich. „Ich kann mir glatt einen Abend mit dir einrichten.“
„Und da bist du sicher?“, kommt es ohne Funken von Humor zurück. Ich weiß schon, warum ich nichts mehr mit der Juristerei zu tun haben will. Schlägt sich aufs Gemüt, scheint es.
„Bin ich. Sollen wir kochen oder gehen wir essen?“ Er hat sich immer noch nicht zu mir umgedreht. Eigenartig ist das schon. „Ist irgendwas los?“
„Du weißt, dass ich nicht in deinem Telefon spioniere“, beginnt er. Mein Telefon. Ich habe es daheim gelassen. „Aber es hat jemand angerufen. Es war übrigens Jana. Ich habe gesagt, sie soll es später noch einmal probieren. Die SMS war offen.“
Ich starre Oskar an. Welche SMS? –
Die
SMS! Generalleutnant Christoph Unterberger. „Danke für unseren wunderschönen Abend. – Fortsetzung?“ Das kann natürlich alles heißen. Das klingt verdammt missverständlich. Vor allem, weil ich vergessen habe, Oskar von dem zypriotischen Lokal und meinem Gesprächspartner zu erzählen.
„Das ist ein Informant für die Energie-Serie. Du hast das völlig falsch verstanden.“
Jetzt dreht sich Oskar zu mir um. Sein Blick ist verschlossen. „Was gibt es daran falsch zu verstehen? Du hast mit ihm einen wunderschönen Abend verbracht. – War die Fortsetzung schon?“
„Wann denn? Ja, es war ein netter Abend. Wir haben in einem kleinen zypriotischen Lokal gegessen. Ich hab dir gesagt, dass ich an meiner Story recherchiere. Du bist viel später als ich nach Hause gekommen, also konnte ich dir nicht gleich davon erzählen. Unterberger weiß übrigens, dass wir verheiratet sind. Er ist ein alter Freund von Valentin. Okay?“
„Du bist ein freier Mensch“, antwortet Oskar,
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