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Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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schmiedeeiserne Tor ist nun offen. Wurde es durch einen Feuerwerkskörper aufgesprengt? Wahrscheinlich hat es jemand geöffnet. Leute rennen zwischen den Gräbern umher. Da und dort gehen weiter Leuchtbälle in die Luft. Vesna ist schon im Friedhofsgelände. Ist das nicht Störung der Totenruhe? Andererseits: Den Toten macht es wohl nicht mehr viel aus. Ich folge Vesna. Keine Ahnung, wie viele Menschen hier sind. Fünfzig? Hundert? Sie scheinen Spaß zu haben, sie lachen, springen herum. Vesna deutet, dass sie zur anderen Seite der kleinen Kirche will. Ich erschrecke mich vor Krachern, die von irgendwo hinter den Gräbern abgefeuert werden.
    „Von da man hat guten Blick auf Gasstation“, ruft mir meine Freundin ins Ohr. Wir rennen zickzack an Gräbern und Feuerwerkskörpern und kreischenden Jugendlichen vorbei, auf der anderen Seite der Kirche ist es ruhig. Ich spähe mit ihr über die Mauer. Und tatsächlich. Im Licht hoher Laternen liegt die Station grau und weiß da, als herrschte auch auf dem benachbarten Friedhof die übliche Totenstille.
    „Da hängt etwas!“, erwidere ich. Auf dem einzigen Grabstein, der direkt an die Mauer anschließt, klebt ein Blatt Papier:
„Es geht auch anders!“
Ich löse den Zettel vorsichtig, stecke ihn in meine Tasche. „Für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs“, steht auf der großen, verwitterten Tafel. Niemand scheint sich um uns zu kümmern, alle rennen noch immer ausgelassen durcheinander und jagen kleine Feuerwerkskörper in die Luft. Ist das, was auf dem Zettel steht, eine Botschaft für uns? Für wen sonst kann sie gedacht sein?
    „Klebt auch auf anderen Gräbern“, sagt Vesna und deutet auf eine Gräberzeile. Da und dort ein Zettel, sicher kein hier üblicher Grabschmuck. Sirenen. Feuerwehr? Oder Polizei? Ich kann sie in dem Tumult nicht einordnen. „Weg hier“, höre ich einen jungen Mann rufen. „Die Kieberer!“ Wir sind nicht Teil dieser seltsamen Veranstaltung, ich bin von der Presse. Blaulicht. Polizei. Und Feuerwehr.
    „Komm!“, ruft Vesna und zieht mich mit. Wir drängen mit anderen durch ein Tor. Ein spitzer Schrei meiner Freundin. „Was du machst hier!“
    Jana sieht uns verstört an. „Und was bitte du?“
    „Bin im Dienst, wir reden noch. Und jetzt: Schnell! Komm!“
    „Ich bin mit Freunden …“
    Zwei Polizeiwagen, ein Feuerwehrfahrzeug.
    Ich renne Richtung Auto, was für ein Glück, dass wir weit weg von den Aktivisten geparkt haben. Vesna ist vor mir dort. „Soll dummes Mädchen gefasst werden“, knurrt sie und startet.
    Ich lasse mich in den Beifahrersitz fallen, Vesna fährt los, bevor ich noch die Tür schließen kann. „Du bist in die falsche Richtung unterwegs!“, rufe ich.
    „Nein, ist richtig. Da war ein Feldweg. In Richtung, die Jana gelaufen ist.“ Sie kurvt an Blaulichtern und Autos und rennenden Menschen vorbei, biegt dann scharf ab, unbefestigte Straße, rennende Menschen auch hier. Plötzlich bremst sie, beinahe hätte ich mir den Kopf an der Windschutzscheibe angeschlagen. Sie reißt die Tür auf, schreit: „Jana!“ Ihre Tochter dreht sich um, rennt die drei Schritte her, steigt ein und Vesna zeigt, dass sie Auto fahren kann. Erst einige Kilometer später, als die Landstraße längst an friedlichen Feldern und schlafenden Dörfern vorbeiführt, sagt Vesna: „Das nächste Mal, meine Tochter, ich rette dich nicht mehr vor Unsinn wie so was.“
    Eine Zeit lang bleibt es auf der Rückbank still. „Das war wirklich ein bisschen krass“, kommt es dann zurück. „Ich dachte, das wird eine Aktion wie vor der ‚AE‘-Zentrale, einfach ein cooles Treffen mit Picknick und Diskussion. Aber dass die auf dem Friedhof ein Feuerwerk machen …“
    „Wir sind sehr spät gekommen. Was war eigentlich vor dem Feuerwerk los?“, frage ich.
    „Das ist ja das Seltsame. Gar nichts. Es sind Leute gekommen und herumgestanden, einige haben was zu trinken mitgehabt und es hat geheißen, gleich wird es losgehen. Um Mitternacht sind dann die Türen vom Friedhof aufgegangen und dann hat es zu knallen begonnen.“
    „Sind eigenartige Typen bei ‚Cybersolar‘, sage ich ja. Aber auf mich keiner hört“, sagt Vesna und nimmt die Kurve mit gut hundertzwanzig.

[ 9. ]
    Am nächsten Morgen rumort es im großen Wohnraum. Als ich heimgekommen bin, hat Oskar schon geschlafen. Kein Wunder. Es war halb drei in der Früh. Mein ungutes Gefühl, er könnte sein Bettzeug genommen haben und auf die Couch übersiedelt sein, hat sich zum Glück nicht

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