Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
schwarz-weiß sehen kann. Es ist ein aufstrebender internationaler Konzern. Sie sind inzwischen ein Big Player im europäischen Energiehandel, investieren in herkömmliche Energieformen, aber auch in erneuerbare Energie. Sie wollen sich übrigens nicht nur an Offshore-Windparks beteiligen, sondern auch auf dem Festland welche bauen. Allen ist klar, dass es mit Öl und Gas irgendwann einmal vorbei sein wird. Darauf bereiten sie sich vor. Bis das so ist, machen sie Geschäfte mit denen, die Rohstoffe haben. Das ist eben nicht nur Norwegen, das sind auch Russland, der Iran und andere Länder.“
„Die nicht gerade superdemokratisch sind“, ergänze ich.
„Richtig“, sagt Oskar, nimmt noch ein Sushi und wir sind wieder einmal bei der Frage angelangt, wie viele Kompromisse man machen darf.
Am Nachmittag geht mir etwas, das Oskar gesagt hat, nicht mehr aus dem Kopf: „Pure Energy“ wolle auch auf dem Festland Windparks bauen. Sollte sich das auch auf Österreich beziehen, wären sie direkte Konkurrenten von „PRO!“ – oder sind meine Sonnendorfer so nett, dass sie sich über alle freuen, die Windräder aufstellen?
Ich treffe Tina Bogner bei Eva in Treberndorf. Sie hat um einen Ort gebeten, an dem wir nicht gesehen werden. Alles sei schrecklich aufgeheizt, auch wegen der Idioten von „Cybersolar“. – Ob die denn keine Unterstützung für sie wären, habe ich gefragt. Tina Bogner hat nur ins Telefon geseufzt.
Eva ist in den Weingärten unterwegs. Heute werden Frühtrauben gelesen. „Die Menschen werden immer gieriger nach dem ersten jungen Wein“, hat sie gelacht, bevor sie noch einmal ausgefahren ist. Man wolle arbeiten, bis die Sonne untergeht. „Sie trinken lieber ein unruhiges, unfertiges Zeug, als zu warten. Hauptsache, man ist vorne dabei, der Erste, der den neuen Jahrgang schon probiert hat. Wir versuchen eben unser Bestes, einen ordentlichen Jungwein hinzukriegen.“
Ich sitze mit Tina Bogner im Innenhof des Winzerhauses. Vor uns selbst gemachter Pfefferoniaufstrich, ein Korb mit Brot und zwei Messer. Die Sprecherin von „PRO!“, so hat sich herausgestellt, mag Scharfes genauso gern wie ich. Wasser, eine Flasche rescher Welschriesling.
„So ließe es sich leben“, seufzt Tina Bogner, nimmt einen Schluck und lehnt sich zurück.
„Die pure Idylle ist das Winzerleben auch nicht.“ Das habe ich schließlich gerade auf diesem Hof gelernt.
„Die gibt’s sowieso nicht. Die haben wir aus der Werbebranche erfunden. Wenn du etwas kaufst, dann geht es in reichen Ländern selten um Bedarf, sondern um Sehnsüchte.“
„Und Sie erzeugen eben die Sehnsucht nach einer intakten Umwelt, um Gemeinden Ihre Energiekonzepte und den Menschen Ihren Ökostrom zu verkaufen“, hake ich ein.
„Sie ist ja nichts Schlechtes, die Sehnsucht nach dem Besseren. Und nach dem Vernünftigen. Es gibt sie. Wir versuchen sie zu wecken.“
„Ich habe gehört, ‚Pure Energy‘ will Windparks bauen, wissen Sie davon?“, bringe ich unser Gespräch in weniger philosophische Bahnen.
Tina Bogner sieht mich forschend an. Sie scheint zu überlegen, was ich sonst noch gehört haben könnte. „Ja“, sagt sie dann. „Auch wenn sie noch mit keiner einzigen Anlage begonnen haben. Sie haben Grund gekauft und gepachtet. Und das nicht zu knapp.“
„Ist das für Sie eine gute oder eine schlechte Entwicklung?“ Ich nehme mir noch ein Brot und bestreiche es dick mit dem scharfen Aufstrich. Köstliche Pfefferoni und Chilis aus Evas Garten mit Kräutern, Knoblauch und Crème fraîche.
„Ökologisch-theoretisch natürlich eine gute“, antwortet Tina Bogner. Sie wirkt heute weniger aufgeladen, beinahe müde.
„Und wirtschaftlich-praktisch?“
„Wenn Sie darauf hinauswollen: Natürlich sind wir dann Konkurrenten am Ökostrommarkt, aber wir haben nichts gegen faire Mitbewerber. Nur: Sie haben eben noch kein einziges Windrad gebaut. Es gibt keinen einzigen konkreten Plan, auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung. Und es könnte gut sein, dass das in der nächsten Zeit so bleibt.“
„Die haben doch Kapital genug, heißt es“, werfe ich ein.
„Das ist richtig. Aber was, wenn die gar nicht bauen, sondern uns bloß die besten Gründe wegschnappen wollen? Damit wir keine zusätzlichen Windparks errichten können. Außerdem haben sie so für die Zukunft, wenn Windenergie mehr Gewinn abwirft, vorgesorgt. Boden, auf dem Windparks entstehen können, gibt es nicht unendlich viel.“
„Ist das realistisch?“, frage
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