Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
kriminell geworden sind?
Tina Bogner holt tief Luft. Für einen Moment scheint sie nicht zu wissen, was sie sagen soll. Sie streicht ihre halblangen dunklen Haare zurück. „Ich habe keine Ahnung, was mit Dr. Gruber geschehen ist. Es sieht allerdings so aus, als hätte er sich selbst nicht immer auf legalem Boden bewegt. Es gab Vorerhebungen wegen Bestechung, soviel ich weiß, ermitteln auch EU-Behörden wegen Korruptionsverdacht und illegalem Lobbying. Ich würde es nicht ausschließen, dass sich jemand aus seinem eigenen Umfeld gegen ihn gewandt hat. Vielleicht hat er zu viel gewusst. Das ist freilich nur eine These.“
Hohenfels bemüht sich um Gelassenheit: „Die Vorerhebungen wurden eingestellt. Dr. Gruber ist übrigens nicht bei ‚Pure Energy‘ beschäftigt, er berät unser Unternehmen bloß hin und wieder. Er verfügt über hervorragende internationale Kontakte. Ich habe tatsächlich die Sorge, Frau Thurnher“ – er schaut der Moderatorin tief in die Augen, sie klimpert auf ihre unnachahmliche Art mit den Wimpern: halb erstaunt, halb ironisch – „dass er das Opfer von Radikalen geworden ist.“
„Sie sprechen … tatsächlich von Mord?“, fragt die Moderatorin.
„Er ist keiner, der einfach so untertauchen würde. Er hat sich seinen Kritikern immer gestellt.“
„Außer, er war zu betrunken dazu“, aber das sage ich zu Oskar. Im Fernsehstudio hält man sich zurück.
„Hohenfels war ausgesprochen gut“, findet Oskar, als die Diskussion vorbei und unser chinesisches Essen vertilgt ist. „Auch sein Plädoyer für erneuerbare Energie und dass sich sein Unternehmen an Sonnenkraftwerken in Afrika beteiligen werde.“
Ob er Hohenfels auch noch gut findet, wenn er weiß, dass er der Lover seiner Tochter ist? Vielleicht geht die Affäre rasch zu Ende und ich muss es ihm gar nicht sagen. Ist Hohenfels eigentlich klar, wessen Tochter Carmen ist? Wenn sie tatsächlich so vertraut miteinander sind, wie mir Carmen in der Küche vorgeschwärmt hat, wohl schon. Möchte Hohenfels deswegen Oskar als einen der Firmenanwälte mit ins Boot holen? Oder geht es doch darum, mich ruhigzustellen?
„Offshore-Windparks und Solarkraftwerke brauchen starke, lange Leitungen. Und es gibt nicht viele, die das finanzieren können. So bleibt die Macht bei einigen wenigen in der Energiebranche“, antworte ich.
„Dir kann man auch nichts recht machen“, sagt Oskar und krault mich hinter dem Ohr, als wäre ich Gismo.
[ 10. ]
Es ist erstaunlich. Am nächsten Tag bekommt „PRO!“ zumindest indirekt Unterstützung durch „Pure Energy“. In einer Aussendung wird darauf hingewiesen, dass das österreichische Leitungsnetz leider tatsächlich anfällig sei. Als Konsequenz schwebt dem Konzern freilich nicht lokale Energieversorgung, sondern etwas ganz anderes vor:
„‚Pure Energy‘ hat große Erfahrung im internationalen Fernleitungsbau und in der Betreuung solcher Leitungen. Wir haben ‚AE‘ eine strategische Partnerschaft angeboten und freuen uns, wenn wir unser Know-how einbringen können. In Zeiten wie diesen ist es wichtig, zusammenzuarbeiten. Es geht um nicht weniger als die Sicherheit Österreichs.“
Klingt für mich, als wollten sie „AE“ schlucken. Oskar formuliert das anders: Man nutze eben die Chance, um mehr Marktmacht zu bekommen. Und „AE“ sei vielleicht ganz froh über etwas frisches Kapital.
Vielleicht erfahre ich ja am Abend mehr darüber. Da geht nämlich unser Essen mit Hohenfels und Stepanovic über die Bühne. Es wird Lachsforellentartar auf etwas geben, das ich lauwarme Erdäpfel & Salat nenne, danach Fasan in zwei Gängen: zuerst eine Kraftsuppe und dann die Brust mit Curry gebraten, darauf Lardo, dazu rote Linsen. Als Dessert denke ich an Apfelpalatschinken. Gehört zu den wenigen Süßspeisen, die ich zubereiten kann. Und die ich sogar mag. Außerdem hoffe ich darauf, dass die Herren Manager nach den ersten drei Gängen genug haben und nur mehr ein wenig Käse wollen.
Ich verabschiede mich schon zu Mittag aus der Redaktion. Ist ja in gewissem Sinne dienstlich, wenn ich heute Nachmittag koche. An sich lächerlich, dass ich um die zwei Herren so ein Tamtam mache, aber sie sollen ruhig sehen, was ich draufhabe. Und dass ich mit irgendwelchen Galadinners durchaus mithalten kann. Die Weine werden trotzdem nicht französisch sein, sondern aus dem Weinviertel stammen. Da waren sich Oskar und ich einig.
Zuallererst stelle ich die Suppe zu: Zum Glück habe ich bereits gerupfte Fasane
Weitere Kostenlose Bücher