Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter Verdacht

Unter Verdacht

Titel: Unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Arden
Vom Netzwerk:
entlanggingen. »Und dann bereite ich mich seelisch und moralisch auf den Abend vor. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie der verlaufen wird – als Selbstdarstellung der besonderen Art.«
    »Und wie sieht eine solche Vorbereitung aus?« fragte Sylvia. »Vielleicht möchte ich ja auch davon Gebrauch machen.«
    »Ich rufe den Hotelarzt und verlange Morphium. Das soll eine betäubende Wirkung haben. Vielleicht kann man Schröder auf die Weise ertragen, ohne dass einem schlecht wird.«
    Sylvia kicherte. »Willst du ihm das Morphium ins Essen mischen? Denn wenn du es selbst nimmst, läufst du Gefahr, ohne Überdosis nicht die gewünschte Wirkung zu erzielen.«
    Zwanzig vor sieben, also viel zu früh, klopfte Sylvia an Karens Zimmertür. Karen öffnete.
    »Ist es schon soweit?« fragte sie und schaute auf ihre Uhr.
    »Ich wusste nichts mit mir anzufangen«, gestand Sylvia.
    »Komm herein.« Karen trat zur Seite. »Ich bin gleich fertig. Möchtest du währenddessen etwas trinken? Im Kühlschrank stehen ein paar Piccoloflaschen.«
    Karen verschwand im Bad.
    Sylvia öffnete den Kühlschrank, nahm eine der Flaschen heraus und füllte zwei Gläser halbvoll.
    Karen kam zurück. Sylvia reichte ihr ein Glas. »Zur Stärkung«, sagte sie.
    »Danke.«
    Während Sylvia trank, ruhten ihre Augen auf Karen. »Ich würde den Abend viel lieber mit dir allein verbringen«, gestand sie leise.
    Karen lächelte zurückhaltend. »Die Vorstellung ist mir auch angenehmer als die an Schröders Gesellschaft«, konnte sie nicht umhin zuzugeben.
    Sylvia stellte ihr Glas ab. Dann nahm sie Karen auch das ihre aus der Hand und trat dicht an sie heran. Zärtlich streichelte Sylvia Karens Wange.
    »Ich . . . ich werde nicht aufgeben«, flüsterte sie. »Dafür bist du mir zu wichtig. Ich werde dir meine Gefühle zeigen, so lange, bis du nicht anders kannst, als mir zu vertrauen. Glaubst du, dass du das irgendwann hinkriegen könntest?«
    Sylvias Lippen berührten vorsichtig die Karens. Es war das erste Mal, dass sie von sich aus derart auf Karen zukam. In Karen kämpfte einmal mehr der innere Drang, ihre Abwehr aufzugeben, mit dem Verstand. Letzterer gebot ihr sich zurückzuhalten. Das Klingeln des Telefons kam daher nicht so ungelegen. Karen nahm ab.
    »Herr Schröder wartet in der Halle. Wir sollten gehen«, sagte sie nur, als sie auflegte.
    Schröder erwartete sie und führte sie zum Tisch.
    Noch während des Aperitifs wurde Sylvia klar: Der Mann unterteilte Frauen in zwei Kategorien: Die, die ihm sofort verfielen, und die, die ihm erst nach anfänglichem Widerstand verfielen. Erstere langweilten ihn sehr, letztere waren, je nach Art und Ausdauer des Widerstandes, interessant. In ihnen glaubte er zwei zumindest interessante Exemplare, vielleicht sogar sehr interessante, vor sich zu haben. Schröders Narzissmus wirkte lächerlich. Ein Blick zu Karen sagte Sylvia alles. »Wenn ich nicht schon lesbisch wäre, spätestens jetzt würde ich es werden«, stand in deren Augen geschrieben.
    Zwei Stunden später saßen Karen und Sylvia kichernd und feixend in der Hotelbar bei einem Manhattan.
    »Ich bin keine Männerhasserin, nur weil ich lesbisch bin«, sagte Karen und hob beschwörend die Hand. »Aber Typen wie Schröder sind mir von Natur aus unsympathisch. Ein solcher Chauvi! Er ist von seiner eigenen Aura völlig benebelt. Das Abendessen war eine Tortur. Na ja, wenigstens bin ich satt geworden.« Karens Stimme war leicht vom Alkohol gezeichnet.
    Sylvia lächelte, teils belustigt, teils besorgt. Karen hatte schon zwei Gläser Wein zum Essen getrunken. Jetzt trank sie bereits den dritten Cocktail. Das war bestimmt eine ungesunde Mischung.
    »Karen, geht es dir gut?« fragte sie deshalb.
    »Es geht mir prima. Ich bin lediglich – ein wenig betrunken.«
    »Ein wenig sehr«, sagte Sylvia lachend.
    »Jjjja.«
    »Komm, ich bringe dich auf dein Zimmer.« Sylvia wollte Karen unter den Arm fassen. Doch Karen wehrte ab.
    »Nicht jetzt schon. Du wolltest doch den Abend mit mir allein verbringen. Also, jetzt sind wir allein.« Karen rückte provokativ an Sylvia heran.
    »Allein?« Sylvia sah sich grinsend um. »Wir sitzen an einer gutbesuchten Bar. Und, nebenbei gesagt, du rutschst gleich vom Hocker.«
    »Ja«, gab Karen zu. »Und mir ist schlecht«, bekannte sie plötzlich kläglich.
    »Oh je.«
    Sylvia bezahlte die Drinks und hakte Karen unter. »Geht es so?«
    »Schwindelig«, murmelte Karen.
    Sylvia führte Karen langsam durch die Bar und die Treppe hoch.

Weitere Kostenlose Bücher