Unter Verdacht
nächster Gelegenheit direkt danach zu fragen.
Die sollte am Donnerstag Abend kommen. Man traf sich zu dritt – Sylvia, ihr Vater und Karen –, um die aktuelle Lage zu besprechen. Allerdings war Sylvia heute ungewöhnlich schweigsam.
Der Kellner kam mit der Karte. Sie bestellten. Kurz darauf wurden die Getränke gebracht.
»Da ist etwas, was ich mich die ganze Zeit schon frage.« Werner Mehring zog grüblerisch die Augen zusammen. »Wenn Gregor das Geld bereits beiseite geschafft hat, worauf wartet er dann noch? Warum riskiert er es hierzubleiben und entdeckt zu werden, statt in der Sonne Hawaiis zu liegen?« Er sah in die Runde. Allgemeine Ratlosigkeit war die Antwort. »Die einzige mögliche Erklärung ist«, fuhr Mehring fort, »dass er plant, noch einmal Geld aus der Firma zu ziehen. Eine nicht unbeträchtliche Summe, denn sonst würde er dieses Risiko doch nicht eingehen.«
Karen meldete Zweifel an. »Gerade sind Holzner und Keller mit Unterstützung wieder aufgetaucht und dabei, alles in der Firma auf den Kopf zu stellen. Sie meinen wirklich, Gregor könnte so unverfroren sein und vor den Augen der Polizei weitermachen? Ist das nicht ein bisschen zu riskant?«
»Zugegeben«, räumte Mehring ein. »Aber er kann warten, bis die Beamten wieder abgezogen sind. Die Ermittlungen laufen weiter gegen Sie, Karen. Es ist also nicht so gefährlich für ihn.«
Dem musste Karen wohl oder übel zustimmen. »Da haben Sie wahrscheinlich recht. Allerdings habe ich derzeit, auf Anraten meines neuen Hauptbuchhalters, eine Art Jahresabschluss veranlasst, womit automatisch keine Buchungen ausgeführt werden können.«
»Das ist gut. Wie lange wird dieser Stopp dauern?« wollte Mehring wissen.
»Drei Tage maximal.«
»Das ist zu kurz. Wir brauchen länger, mindestens eine Woche, besser zwei, für unsere Ermittlungen. Kann man die Sache nicht länger hinausziehen?« fragte er.
»In der Zeit ist die gesamte Auftragsbearbeitung der Firma praktisch lahmgelegt. Es können keine Bestellungen rausgehen und vor allem keine Rechnungen bezahlt werden. Die Zulieferer wird das nicht sehr freuen. Es sind oft mittelständische oder kleine Firmen, die auf ihr Geld angewiesen sind.«
»Es soll ja auch kein Dauerzustand werden«, meinte Mehring. »Aber im Moment brauchen wir einfach die Zeit, um herauszufinden, was Gregor möglicherweise noch plant.«
»Also gut. Ich werde mit den Firmen reden.«
Das Essen wurde serviert.
Mehring wartete mit neuen Informationen auf: »Endrich hat bereits ein wenig in Gregors Vergangenheit gewühlt. Er wohnte zuletzt in Hannover. Endrich wird hinfahren, die ehemaligen Nachbarn befragen und versuchen herauszubekommen, wo Gregor gearbeitet hat. Vielleicht bekommen wir dadurch Informationen, die uns weiterbringen.«
»Hoffentlich«, sagte Karen. »Wenn wir nämlich nicht bald ein paar Beweise gegen ihn finden, sehe ich ganz schön alt aus.«
»Keine Panik. Wir haben ja noch andere Möglichkeiten. Frank Bachmann zum Beispiel.«
Werner Mehring sah auf die Uhr. Dann nahm er eilig seine Serviette und wischte sich den Mund ab. »Nun müsst ihr mich leider entschuldigen. Ich bin etwas in Zeitnot. Ein anderer Mandant erwartet mich. Bis bald.«
Er nahm seine Tasche und verließ das Restaurant.
Karen lächelte Sylvia an. »Das war aber mal ein überstürzter Aufbruch.«
»So macht er es meistens«, winkte Sylvia ab.
Schweigen.
»Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Sylvia?«
»Ja, natürlich. Warum fragen Sie?«
»Nun ja«, begann Karen zögernd, »Sie waren etwas durch den Wind bei unserem letzten Gespräch.«
Sylvia, die in den letzten Tagen mehr als einmal an ihr verstörtes Gestotter hatte denken müssen, war angesichts des Aufwärmens dieses Themas nicht begeistert. Leicht verärgert, eigentlich über sich selbst, aber das konnte Karen nicht wissen, erwiderte sie: »Sie haben mich ganz schön auf den Arm genommen. Und ich . . . oh Gott, ist mir das peinlich!«
»Was ist Ihnen peinlich? Gehen Sie mir deshalb aus dem Weg?«
»Karen, tun Sie mir bitte einen Gefallen. Ich möchte nicht darüber sprechen.« Sylvia schüttelte den Kopf, und ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie meinte, was sie sagte. »Ich glaube, ich gehe jetzt auch lieber. Bitte entschuldigen Sie. Es . . . Es ist nicht Ihre Schuld. Ich bin diejenige, die . . .« Sylvia brach ab. Abrupt stand sie auf und verließ das Restaurant.
Karen sah ihr verdutzt nach.
Karen saß bei Ellen in der Galerie. Geistesabwesend
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